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GRUMMELN VORM FERNSEHER

■ Das Theater 36 spielt „Nest für einen Star“

Wir sitzen zu viert vor dem Fernseher und nuckeln an unseren Getränken. Mein Nachbar streckt die Beine aus. Dann flackert es, und wir schauen still in die Röhre.

Ausnahmsweise einmal hängt nicht meine WehG vor dem Meditationsmedium, sondern vier Gäste haben sich ins Statthaus Böcklerpark verirrt und warten auf den „Star“ Sandra Sarottini.

Zunächst aber schläft Felix noch in seinem kargen Zimmerchen hinter dem Fernsehkasten aus Pappmache. Er wacht auf, holt sich ein Knäckebrot aus dem Kühlschrank und führt während des Frühstücks Selbstgespräche. Wir erfahren, daß Felix arbeitslos ist, den Großteil seiner Stütze in Autogrammen berühmter Schauspieler anlegt und sich ansonsten von „den Menschen“ zurückgezogen hat. Nur sein kleiner Goldfisch leistet ihm Gesellschaft. Das Telefonkabel hat Felix durchgeschnitten und den Apparat in den Kühlschrank gestellt; Felix hat wohl zuviel ferngesehen.

Sandra Sarottini poltert in den Fernseher. Sandra hat vor zwei Jahren in einer Fernsehserie eine kleine Rolle gespielt. Seitdem ist sie arbeitslos. Sie hat sich aber in ihr Köpfchen gesetzt, eine Diva zu werden. Und was macht ein angehender Star, wenn die Angebote auf sich warten lassen? Sie besinnt sich auf ihren einzigen Fan, Felix, der sie vor zwei Jahren um ein Autogramm gebeten hatte. Sandra nistet sich mit ihrem Lieblingssofa bei Felix ein, verstreut ihre Seidenkleidchen im Zimmer und macht ihren Gastgeber sich untertan. Die Blumen und Pralinen, die ein Fan überreichen sollte, hat sie vorsichtshalber selber mitgebracht.

Es riecht nach Katastrophe. Wie könnten sich die beiden auf die Nerven gehen, welch funkensprühende Wortschlachten sich liefern, das Publikum lachend sich auf dem Boden wälzen lassen! Aber nur alle Viertelstunde wagen wir, verschämt zu feixen. Der verklemmte Felix ist viel zu sehr damit beschäftigt, seine Hände zu verknoten und deutlich ar-thi-ku -lierth zu sprechen, als daß er einmal ordentlich aus seiner Haut führe. Und was macht Sandra? Sie repariert das zerschnittene Kabel mit einem Halstuch und reckt neckisch ihre Füßchen in die Höhe.

Der Text von Mario Wirz läßt den beiden keine Chance. Belanglose Aphorismen, wohl als bedeutungsschwangere Wortspielereien geplant, hüpfen im Ping-Pong über die Bühne. Und die erhoffte Katastrophe bleibt natürlich aus. Statt dessen - mir schwante schon nach 20 Minuten Schlimmes kriegen sich die beiden nach anderthalb Stunden endlich, tanzen Walzer und bekennen im Dreivierteltakt: „Man sollte die Wirklichkeit abschaffen und das Leben erfinden. Erfinden wir das Leben!“ Ende, aus, Sendeschluß.

Am liebsten hätte ich den Fernseher vorher abgeschaltet. Richtig böse war ich, aber nicht auf das Theater 36, obwohl es sich für den neuen Start nach zweijähriger Pause wirklich ein anderes Stück hätte aussuchen können; böse war ich auf das Publikum, das nicht kam. Diese Leute, die vor dem Essengehen noch schnell etwas Kultur aus der Nähe ihres Restaurantes mitnehmen müssen, treiben sich doch sonst überall herum! Hätten Theresia Maria Rosetti und Bernd Raucamp vor vollem Haus gespielt, hätte ich keine Skrupel, meinem Ärger vollen Lauf zu lassen. Aber wenn der Kartenverkäufer in der Pause so nett bittet: „Sie kommen doch wieder?“, dann geht das ja nicht, oder?

CLaudia Wahjudi

„Nest für einen Star“, Theater 36 im Statthaus Böcklerpark bis zum 14. August, Mi-So, jeweils 22 Uhr.

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