GIPFEL Die EU möchte Großbritannien halten. Doch auf dem Gipfeltreffen gibt es keine Einigung. Berlin und Paris über Kreuz: Das große Wegdrücken
Brüssel taz | Es sollte die entscheidende Schlacht werden. „Die ganze Nacht durch werde ich für Großbritannien kämpfen“, prahlte der britische Premier David Cameron auf dem EU-Gipfeltreffen in Brüssel. Doch dann war die Debatte, mit der der „Brexit“, ein britischer EU-Austritt, verhindert werden soll, schon um Mitternacht zu Ende. Cameron fuhr mit leeren Händen zurück nach London.
Der konservative Brite versuchte zwar, seinen Kampf für EU-Reformen als Erfolg zu verkaufen. „Es war eine lebhafte Debatte, wir haben gute Fortschritte gemacht“, sagte er am Freitag. Alle 27 EU-Partner hätten erklärt, dass sie Großbritannien im Klub halten wollen. Doch einige der Forderungen, die Cameron stellt, stoßen auf massiven Widerstand. Vor allem will er Zuwanderer aus EU-Staaten vier Jahre lang von britischen Sozialleistungen ausschließen. Das treibt Polen und andere Osteuropäer auf die Palme, die darin eine Diskriminierung sehen.
Wesentlich kompromissbereiter zeigte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nach dem Referendum, mit dem die Briten vielleicht schon im Sommer 2016 über ihren Verbleib in der EU abstimmen, sowie nach den für 2017 anstehenden Wahlen in Deutschland und Frankreich könne man den EU-Vertrag ja ändern, so Merkel. Damit ist allerdings Präsident François Hollande nicht einverstanden. Er wolle jetzt keine Vertragsdebatte führen, sagte der französische Sozialist mit Blick auf den Vormarsch des rechtsextremen Front National. Damit war die Debatte beendet – Wiedervorlage zum nächsten EU-Gipfel Mitte Februar. Ob dann Entscheidungen fallen, ist offen.
Vertagt wurde auch der Streit über die geplante zweite Nord-Stream-Gaspipeline, die Russland mit Deutschland verbinden soll. Italien, Polen und andere osteuropäische Staaten hatten Front gegen das Projekt gemacht, weil sie darin eine Bevorzugung Deutschlands und Nachteile für die Ukraine sehen.
Ebenfalls weggedrückt wurde die umstrittene gemeinsame Einlagensicherung, mit der die Bankenunion vollendet werden soll. Deutschland sträubt sich mit Händen und Füßen gegen den Plan, der die Eurozone krisenfest machen soll. Merkel setzte sich auch hier durch – in der Gipfelerklärung taucht er nicht mehr auf. Eric Bonse
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