piwik no script img

GETRENNT LEBENDE ELTERN MÜSSEN MEHR STEUERN ZAHLENFamilienpolitik für Wohlhabende

Wenn über Armut in Deutschland gesprochen wird, ist immer auch von allein Erziehenden die Rede. Denn bei ihnen ist das Armutsrisiko besonders hoch: Sie haben es sowieso schwer, einen Vollzeitjob zu finden. Und wenn sie einen haben, müssen sie oft so viel Geld für die Kinderbetreuung ausgeben, dass sich die Arbeit nicht lohnt.

Umso erstaunlicher ist die Begründung, mit der die Bundesregierung die günstigere Steuerklasse II für allein Erziehende abschafft: Sie würden bevorzugt. Denn die Klasse II enthält einen Haushaltsfreibetrag von 5.616 Mark. Bisher galt das als Kompensation für die steuerliche Begünstigung von verheirateten Paaren durch das Ehegattensplitting. Das Bundesverfassungsgericht hatte jedoch moniert, dies habe nichts mit Kindererziehung zu tun. Anstatt nun auch den verheirateten Paaren die gleichen Vergünstigungen für allein Erziehende zuzugestehen, schafft Rot-Grün diese einfach ab.

Natürlich, so hält die Koalition entgegen, gibt es eine Kompensation für Eltern – und zwar angeblich für alle gleichermaßen: Erstens wird das Kindergeld erhöht, um 30 Mark. Aber: Bei einem Verdienst von 4.000 Mark brutto macht der Verlust der Steuerklasse II bei allein Erziehenden 120 Mark monatlich aus. Saldo: 90 Mark weniger. Zweitens wird der Kinderfreibetrag von 6.912 auf 7.135 Mark erhöht. Aber: Das ist zwar für Familien begrüßenswert, hilft den meisten allein Erziehenden aber nichts, weil die Steuerersparnis mit dem Kindergeld verrechnet wird. Erst ab einem monatlichen Haushaltseinkommen von etwa 7.000 Mark brutto lohnt sich der neue Freibetrag. Gut bezahlte Jobs sind für viele allein Erziehende aber utopisch, weil sie oft eine Flexbilität erfordern, die ohne Partner kaum möglich ist. Drittens trifft die Neuregelung, dass Haushaltshilfen nicht mehr von der Steuer absetzbar sind, nicht nur wie beabsichtigt den reichen Geschäftsvorstand, sondern auch allein Erziehende. Denn ein Vollzeitjob trotz Kind ist ohne Partner fast nur mit Haushaltshilfe möglich.

Was suggeriert uns diese Familienpolitik? Reichen Mann suchen, heiraten, Steuerklasse III. Oder aufs Kinderkriegen verzichten. KATHARINA KOUFEN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen