GEHT'S NOCH?: Allerdümmste Kälber
Die Bolivianer haben sich den einzigen Weg zur dauerhaften Befreiung vom Imperialismus versperrt
Das kann doch nicht wahr sein. Die Befreiung von 500 Jahren Kolonialismus und Fremdbestimmung hängen an einer winzigen Verfassungsänderung, und eine Mehrheit der BolivianerInnen lehnt ab. Ab 2020 darf Evo Morales nicht mehr Boliviens Präsident sein, nicht einmal für die eine klitzekleine zusätzliche Amtszeit, die ihm die Verfassungsänderung noch zugestehen sollte. Damit ist das gesamte emanzipatorische Projekt des plurinationalen Staates Bolivien erledigt.
Kein anderer kann gewährleisten, dass Bolivien keinen Rollback in neoliberale Privatisierungsorgien und die Exklusion der sozial benachteiligten erlebt. Nur Evo garantiert sozialen Fortschritt, sichert Bildung und Gesundheit für die Armen. Ohne ihn wird das alles vorbei sein. Die eine Amtszeit mehr hätte alles retten können, jetzt ist die Hoffnung zerstört, die Arbeit von Jahrzehnten ist verloren.
Echte Revolutionen brauchen Kontinuität mit starken Anführern. Man hat doch gesehen, was aus der Sowjetunion nach dem Tod Lenins geworden ist, aus China ohne Mao, Jugoslawien ohne Tito oder Venezuela ohne Chávez. Oder Russland ohne Putin – nicht auszudenken! Und was aus Kuba ohne einen Castro an der Spitze wird, deutet sich schon in diesen letzten Regierungsjahren des jüngeren Bruders an: Anbiederung an den Imperialismus, Zerfall, Abwärtsspirale.
Die Bolivianer wissen, was ihnen blüht, Evo Morales selbst hat es im Wahlkampf oft genug erklärt. Sie brauchen ihn und nur ihn. Und dann so etwas. Unbegreiflich.
Jetzt wird irgendwer erinnern, dass Personaldynastien in Lateinamerika einen unangenehmen Beigeschmack haben. Stroessner, Pinochet, Somoza und so weiter. Welch ein perfides Manöver des Imperialismus, der mit seinen scheindemokratischen Diskursen noch jede Volksbewegung zerstört. In Bolivien steht kein Kapitalistenknecht an der Spitze, sondern einer von unten. Einer aus dem Volk. Ein früherer Kokagewerkschafter, der auf der Straße gekämpft hat. Er ist das Volk.
Um Bolivien auf Befreiungskurs zu halten braucht es ihn an der Macht. Nicht ohne ihn, nicht ohne Macht. Und nicht mit lauter Neinsagern.
Bernd Pickert
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