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G20Rote Flora erwartet Besuch vom Staat. Olaf Scholz droht mit KonsequenzenDie Rote Flora ist in Alarmbereitschaft

Hamburg taz | Ein vier Sätze kurzer Blogeintrag hat am Donnerstag für Aufregung in den sozialen Netzwerken gesorgt: Das Hamburger besetzte Kultur­­zentrum Rote Flora hatte zu einer Vollversammlung für den Tag X aufgerufen, sollte es zu einer Hausdurchsuchung kommen.

„Derzeit verdichten sich die Informationen, dass es in den kommenden Wochen zu einer Durchsuchung der Roten Flora kommen könnte. Wir rufen zum Tag X um 20 h zu einer Vollversammlung in der Flora auf. Haltet die Augen und Ohren offen. Solidarität gegen ihre Repression!“, schreiben die Aktivist*innen.

Über konkrete Informationen, die die Aktivist*innen in Alarmbereitschaft versetzt hatten, gaben sie zunächst nichts Genaueres bekannt. Aus Szenekreisen heißt es aber, die Steuerfahndung habe das Kulturzentrum im Visier. Es könne sein, dass jetzt über diesen Hebel versucht werde, der Flora Schaden zuzufügen, vermuten Ak­ti­vis­t*in­nen. Denkbar wäre ein solches Szenario durchaus.

Die Hamburger Finanzbehörde wollte die Meldung nicht kommentieren. Zu laufenden Ermittlungen wegen Steuerbelangen würden generell keine Auskünfte gegeben, sagte ein Sprecher: „Ob jemand Steuern zahlt oder nicht, unterliegt dem Steuergeheimnis.“ Ein offenes Geheimnis ist jedoch, dass die meisten besetzten oder selbstverwalteten Kulturzentren keine Steuern entrichten.

In jüngster Zeit hatte sich die Stimmung in Hamburg wieder zugunsten der Roten Flora gewendet, nachdem das Autonome Zentrum wegen der G20-Proteste unter Beschuss geraten war. Nach den Ausschreitungen im Schanzenviertel hatten nicht nur die CDU und die Polizei­gewerkschaften die Flora zum Sündenbock gemacht. Auch die in Hamburg mit den Grünen regierenden Sozialdemokraten hatten Maßnahmen gegen die Flora angedroht, wenn sie sich nicht entschieden von jeglicher Gewalt distanzieren sollte.

Am Freitag äußerte sich Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz. Gegenüber der Bild-Zeitung bekräftigte der SPD-Politiker, dass die Rote Flora mit Konsequenzen rechnen müsse. „Es kann dort nicht so bleiben, wie es ist“, sagte Scholz. „Militante Gewalt darf aus der Roten Flora heraus nicht mehr unterstützt werden. Und auch heimliche Sympathien für so etwas sind nicht tolerabel.“

Eine Zeit lang habe es danach ausgesehen, als ob es dort friedlicher würde. Aber seit dem G20-Gipfel vor vier Wochen sei der Rückschlag da. „Nun wird es zu Veränderungen kommen müssen. Und es sollte niemand hoffen, dass es so bleibt, wie es ist, nur wenn man jetzt lange genug in Deckung bleibt.“

Bisher sind den Drohungen aber noch keine Taten gefolgt. Auf einer Stadtteilversammlung vor zwei Wochen haben sich die über 1.000 Teilnehmer*innen per Akklamation für den Erhalt der Flora und anderer linker Zentren ausgesprochen. Auch diverse im Schanzenviertel ansässige Restaurants und mehrere Hamburger Musikklubs haben sich mit der Flora solidarisiert.

Bei den Krawallen Anfang Juli waren Hunderte Polizist*innen und eine unbekannte Zahl von De­mons­trant*in­nen verletzt, Dutzende Autos zerstört, Barrikaden entzündet und Geschäfte geplündert worden. Bürgermeister Olaf Scholz, Innensenator Andy Grote (SPD) und CDU-Fraktionschef André Trepoll geben den Flora-Aktivist*innen eine Mitschuld an den Ausschreitungen. Die CDU forderte bereits die Räumung des besetzten ehemaligen Theaters.

Katharina Schipkowski

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