G20-Gipfel in Buenos Aires: Viele Premieren, große Unsicherheit
Die Staats- und Regierungschefs der G20-Länder kommen in Argentinien zusammen. An Konflikten mangelt es den teilnehmenden Staaten nicht.
Gegen einen anderen Gipfelteilnehmer, den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, liegt wegen seiner Verantwortung für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Jemen sowie möglicherweise für die Ermordung des regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi eine Anzeige von Human Rights Watch vor, die von der argentinischen Justiz geprüft wird.
Und schließlich gab es nie zuvor unmittelbar vor einem Gipfel so dramatische Ereignisse wie die russisch-ukrainische Konfrontation im Asowschen Meer oder die Drohung von US-Präsident Donald Trump, ab kommender Woche den Import deutscher Autos mit „Strafzöllen“ zu belegen.
Bin Salman traf am Mittwoch in Buenos Aires ein und wurde in die von einem großen Polizeiaufgebot abgeriegelte saudische Botschaft gebracht. Die kann der Kronprinz zwar unbesorgt verlassen, da die argentinische Justiz bis zu seiner geplanten Abreise am Sonntag keinen Haftbefehl gegen ihn ausstellen wird. Wer aber von den anderen Teilnehmern bilateral oder in kleiner Runde mit dem des Auftragsmordes Verdächtigen zusammentrifft, wer ihm wie die Hand gibt, was andere und er selber eventuell zum Fall Khashoggi sagen – all dies dürfte bis zum Gipfelende am Samstagabend zu den interessantesten Fragen gehören.
Trump, enger Verbündeter des Kronprinzen, hat ein Treffen ausgeschlossen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der mit bin Salman um die Führungsrolle unter den Sunniten des Mittleren Ostens konkurriert, erklärte hingegen seine grundsätzliche Bereitschaft, den Prinzen zu treffen.
Der russisch-ukrainische Konflikt dürfte das wichtigste Thema werden – wenn nicht auf den Plenarsitzungen, so doch bei den bi- oder trilateralen Gesprächen von Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Trump wird seinen Amtskollegen nicht treffen. Der US-Präsident verzichtet wegen des russischen Vorgehens im Asowschen Meer darauf. Das verkündete Trump am Donnerstag auf Twitter.
Es war zunächst unklar, ob Putin und Trump aufeinandertreffen werden – Trump machte ein mögliches Treffen von dem Ermittlungsbericht seines Sicherheitsteams zur Festsetzung ukrainischer Schiffe durch die russische Marine abhängig. Der Kreml bedauerte die Entscheidung am Freitag und unterstrich, für Gespräche bereit zu stehen. Da die Ukraine nicht zu G20 gehört, sind konkrete Vereinbarungen zur Deeskalation von dem Gipfel kaum zu erwarten.
Ähnliches gilt für die durch Trumps Abschottungszölle ausgelösten Handelskonflikte mit China und der EU. Diese Konflikte, die Trump durch seine jüngste Androhung von Importzöllen von 25 Prozent auf Auto-Importe aus Deutschland sowie weiterer „Strafmaßnahmen“ gegen China noch einmal verschärft hat, dürften sowohl die Plenarrunden beherrschen als auch die Treffen Trumps mit Merkel, Marcon und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Laut Macron könnte das Treffen sogar zu einem „für alle zerstörerischen Handelskrieg“ eskalieren.
Eine Deeskalation oder gar Beilegung dieser Konflikte ist aber nicht möglich, solange Trump glaubt, er könne mit seiner aggressiven Außenhandelspolitik innenpolitisch gewinnen. Daher wird auch ein gemeinsames Abschluss-Kommuniqué – wenn es denn überhaupt zustande kommt – im besten Fall kaum mehr enthalten als sehr allgemeine Absagen an den Protektionismus sowie eine Wiederholung der Absichtserklärungen aus früheren Gipfel-Kommuniqués zur Reform der Welthandelsorganisation (WTO).
Am Ende könnte Macron Recht behalten mit seiner Warnung, internationale Treffen wie der G20-Gipfel wären ohne konkrete Fortschritte nicht nur „nutzlos“, sondern „sogar kontraproduktiv“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko