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Fußballschiedsrichter am StadionmikrofonWer hat die schönste Stimme?

Robin Braun hat als erster Unparteiischer per Stadiondurchsage eine Entscheidung erklärt. Historisch! Seine Performance eröffnet neue Debattenräume.

Mit fester Stimme: Robin Braun klärt die Zuschauer über eine korrigierte Entscheidung auf Foto: Maximilian Koch/imago

R obin Braun hat also Geschichte geschrieben. So jedenfalls hieß es nach dem 20. Spieltag der Männerbundesliga. Er war der erste Schiedsrichter, der in Deutschland bei einem Liga­spiel eine Entscheidung, die im Videoschiedsrichterraum getroffen wurde, über das Stadionmikrofon verkündet hat. Ein großer Moment, über den Historiker noch in Jahrhunderten, wenn nicht gar Jahrtausenden ganze Monografien ­schreiben werden. Oder war das vielleicht doch nicht das ganz große Ding? Wer sich den O-Ton aus der Übertragung des Spiels noch einmal anhört, wird schnell feststellen, dass dem wackeren Schiedsrichter eigentlich niemand im Stadion zugehört hat.

Die Ultras sind ohnehin immer mit sich selbst beschäftigt und trällern ihre immer gleichen Lieder. Auf die Haupttribüne gehen die Menschen ja eher, um gesehen zu werden und nicht um sich ein Fußballspiel anzusehen. Und wer sich wirklich dafür interessiert, was auf dem Platz geschieht und entschieden wird, der hat stets sein Smartphone mit einem Live-Ticker vom Spiel parat, in dem ihm erklärt wird, was er vielleicht gerade nicht mitbekommen hat.

Die große Transparenzoffensive, als die nun die Stadiondurchsagen von der Liga bezeichnet werden, wird demnach wohl kaum dafür sorgen, dass all diejenigen, die bisher so gar nichts mit der spielverzögernden Videoschiedsrichterei anfangen konnten, zu Fans des VAR werden.

Immerhin bringen die Durchsagen einen neuen Ton ins Stadion. Im Fall von Robin Braun war der schon gar nicht mal so schlecht. Mit fester Stimme teilte der Schiri, dem man gerade gesagt hatte, dass er fälschlicherweise auf Elfmeter entschieden hatte, mit: „Nach Ansicht der Bilder lag eine Abseitsstellung vor. Die Entscheidung lautet: kein Elfmeter.“

Schönes Diskussionsthema

Die einen mögen seine Stimme ein wenig zu hoch finden, andere sich vielleicht genau in diese Frequenz regelrecht verliebt haben. Den einen mag er cool vorgekommen sein, anderen vielleicht ein wenig blutleer. Es lässt sich jedenfalls trefflich streiten über jede Ansage, die fortan gemacht wird. Und was gibt es Schöneres, als sich beim Thema Fußball zu streiten?

Am Ende der Saison jedenfalls wird auf Social Media gewiss ein Urteil darüber gefällt worden sein, wer von allen Schiris die schönste Stimme hat. Und wenn aus der Testphase einst der Regelfall werden sollte, werden die großen Verbände vielleicht am Ende jedes Jahres nicht nur die besten Spieler auszeichnen, sondern auch den Schiedsrichter mit der schönsten Stimme mit irgendeinem von irgendeinem Golfstaat gesponserten Award versehen. Die erste solcher Preisverleihungen wird dann gewiss als historisch bezeichnet werden.

Und schon tut sich wieder ein neues Berichterstattungsfeld auf. Was trägt der Schiri bei der Preisverleihung? Wer ist die Frau an der Seite des Pfeifenmannes mit der schönen Stimme? Und was wird sie sagen, wenn ihr Liebster in den Nacht nach der Gala mit seiner Trophäe ins Bett geht statt mit ihr, wie er es einem People-Magazin exklusiv und vorab erzählt hatte? Am Ende werden also Geschichten geschrieben, wie sie nur der Fußball schreibt. Geschichten, für die es nur ein Wort gibt: historisch.

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Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
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