Fußballreporter über Bundesliga-Pause: „Die Leute vermissen den Sport“
Der Ball ruht? Kommentiere ich doch den Verkehr vorm eigenen Fenster, dachte sich Fußballreporter Robby Hunke. Und löste einen Trend aus.
taz: Robby Hunke, Ihre Sportlivereportagen über die Straßenszene vor Ihrem Fenster in Köln gehen viral. Was ist passiert?
Robby Hunke: Ich weiß es nicht. Ich habe am ersten Tag 45 Anfragen für Interviews bekommen – danach habe ich aufgehört zu zählen. Und Nachrichten auf Instagram und Facebook kamen, ich lüge nicht, phasenweise 500 minütlich.
Sie stellen sich einfach ans Fenster und berichten im Jargon des Fußballreporters, was sich gerade unten auf der Straße tut. Wie kommt man auf so eine Idee?
Aus Langeweile. Hier ist ja nichts los. Ich bin ja eigentlich Corona-Papa und kümmere mich um meine Tochter.
Aus Langeweile sind schon unoriginellere Ideen geboren worden.
Ach. Meine Freundin zum Beispiel findet das völlig unoriginell. Die kennt das nämlich schon, weil ich das immer mache. Ich filme die, wenn sie sich schminkt, wenn sie kocht, wenn sie die Treppe runtergeht. Und dazu immer der Kommentar: „Jetzt von rechts kommt eine Prise Pfeffer ins Spiel, oh, das brodelt ganz schön, doch da müsste noch mehr kommen, und, es kommt mehr …“
Kann anstrengend werden.
Ich bin halt ein Freak, einer, der seinen Beruf aus Leidenschaft macht und davon in der Freizeit nicht lassen kann.
ist ein deutscher Sportreporter, Fußballkommentator, Filmemacher und Sprecher. Er lebt in Köln-Nippes.
Nun sind Sie vor allem Fußballreporter, und Fußball findet gerade nicht statt. Machen Sie das auch aus Not?
Es hat eine ernste Seite. Im Sportjournalismus arbeiten ja jede Menge Freelancer: Ich denke nicht nur an die Kommentatoren, sondern auch die Techniker, die Regisseure, die Aufnahmeleiter. Denen bricht gerade ihr ganzes Einkommen weg.
Was sagen denn die Kollegen?
Ungelogen, ich hatte etwa 50 Anfragen, ob man das nicht als Konferenz machen könnte: aus Frankfurt, aus Berlin, aus ganz vielen Städten.
Wie erklären Sie sich dieses enorme Echo?
Ich habe anscheinend den Nerv der Zeit getroffen. Die Leute vermissen den Sport. Die Sportreportage hat ja etwas sehr Ehrliches: Man kann sich zwar gut vorbereiten, aber man kann nichts vorausschauen und nichts weglassen. Ich weiß nicht, ob die Flanke ankommt, ich weiß nicht, ob das Auto vor meiner Haustür geradeaus fährt oder abbiegt.
Gibt es auch Kritik?
Normalerweise wird man ja in den sozialen Medien gründlich durchbeleidigt. Das ist auch verblüffend: Ich kriege nur Likes, ich erhalte Nachrichten wie „Du bist das Highlight meines Tages“. Da sieht man, was die Leute so sehr vermissen.
Wie sehr rücken Ihnen Ihre Fans auf die Pelle?
Ich habe etwa 500 Fotos zugemailt und zugepostet bekommen mit Fotos: Die zeigen Leute, die vor meinem Haus stehen und wollen, dass ich sie filme. Es gab sogar einen Aufruf auf Twitter, dass sich Leute vor meinem Haus mit Pyrotechnik treffen wollten und mich besingen! Und dieser Aufruf hatte auf Twitter über 1.000 Likes!
Heftig.
Ach, die Leute suchen einen Ersatz für Fußball. Da bin ich gerade versehentlich die Hauptperson.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Scholz fordert mehr Kompetenzen für Behörden