Fußballländerspiel Deutschland-Ungarn: Als Stimmungsmacher gebucht
Manch Fußballfan war vorm heimischen TV-Gerät schon eingeschlafen. Im letzten Test vor der EM gewinnt Deutschland 2:0 gegen Ungarn.
Lukas Podolski war sichtlich gut gelaunt, als er nach dem 2:0-Heimsieg der deutschen Elf gegen Ungarn vor die versammelte Pressemeute trat. Denn wer Geburtstag hat, der freut sich halt. Außer er heißt Marco Reus, aber das ist eine andere Geschichte. Podolski jedenfalls grinste breit über die Glückwünsche zu seinem 31. Jahrestag seitens der Journaille. „Klar, wollt ihr auch dabei sein?“, antwortete er keck auf die Frage, ob denn gefeiert werde.
Gelächter unter den Fragestellern, die vor Podolskis Auftritt in der Mixed-Zone von den anderen deutschen Spielern nur staubtrockene Statements serviert bekommen hatten. Aber Poldi ist eben Poldi. Selbst seine Interviewpartner bringt er zum Lachen. Genau dafür ist er ja da. So fungiert er schließlich auch im DFB-Team – als kölsche Stimmungskanone.
Ganz offiziell hatten ihn dazu 80 Millionen Bundestrainer an den Stammtischen verdonnert. Schließlich gebe es ja bei Weitem spielstärkere Kicker als ihn. Tatsächlich deutet vieles darauf hin, dass dem wohl so ist. Julian Draxler, Leroy Sané oder André Schürrle, die Konkurrenten Podolskis auf der linken Mittelfeldseite, sehen mit dem Ball am Fuß um etliches filigraner aus als der Profi von Galatasaray Istanbul.
Und die Tatsache, dass Bundestrainer Joachim Löw das Geburtstagskind als sechsten und somit letzten Einwechselspieler auf den Rasen der Schalker Arena beordert hatte (79. Minute), lässt genauso auf längere Bankwärmerauftritte bei der EM schließen. Podolski hatte gegen Ungarn nämlich nicht mehr die Möglichkeit, sich in irgendeiner Weise besonders auszuzeichnen.
„La Mannschaft“
Das lag jedoch nicht an ihm, sondern an jener Spielphase, die in jedem klassischen Freundschaftsspiel mal vorkommen muss. Es herrschte kollektiver Leerlauf. Manch Fußballfan war vorm heimischen TV-Gerät schon eingeschlafen, die Stadionbesucher hielten sich gerade noch so wach: mit Laola-Wellen. Die zuvor herausgearbeitete 2:0-Führung durch Ádám Langs Eigentor (39.) und den Abstauber von Thomas Müller (63.) hatte 52.104 Zuschauern befriedet. Und sie reichte auch „La Mannschaft“, wie sich das deutsche Team auf Ratschlag ihrer Marketingstrategen hin nun nennt. Extra für „La France“, versteht sich. Danach bitte wieder: „die Mannschaft“.
Abgesehen davon, dass der Name aus monetären und (vielleicht) identitätsstiftenden Gründen konstruiert worden ist, passt er doch ganz gut zur Löw’schen Elf. Oder besser: zur Löw’schen Dreiundzwanzig. Alle sind austauschbar, jeder wird gebraucht. So die Botschaft des Bundestrainers aus Gelsenkirchen. Weil die Saison lang war und die Reserven begrenzt sind. Gegen Ungarn offenbarte sich dies etwa beim etwas kraft- und ideenlos wirkenden Mesut Özil. Bei Arsenal London musste Özil in den letzten Monaten nämlich ziemlich viel hin- und herlaufen.
Auch Toni Kroos ging bei Real Madrid bis zum Ende an die Grenze, ebenso Emre Can in Liverpool. Und die Abgestellten aus Dortmund und Bayern haben auch Kräfte gelassen. Jérôme Boateng zwickte es gegen Ungarn beispielsweise schon früh in der Leiste, Mats Hummels verpasst das EM-Auftaktspiel gegen die Ukraine sicher.
Dazu gibt es Spieler wie Bastian Schweinsteiger oder Benedikt Höwedes, die nach ihren Verletzungspausen noch ein gutes Stück weit von ihrem Leistungslimit entfernt sind. Hinter dem bei Bayern oft ignorierten und zwischenzeitlich verletzten Mario Götze und den Wolfsburgern André Schürrle und Julian Draxler liegt wiederum eine enttäuschende Saison. Deshalb ist an Löws Worten einiges dran, wenn er sagt: „Das Turnier wird schwer und kräftezehrend. Wir müssen uns auf Abnutzungskämpfe einstellen. Da ist es wichtig, frische Kräfte zu haben, die auch läuferisch und kämpferisch überzeugen. Es ist gut, wenn man nicht immer mit der gleichen Mannschaft spielt.“
Aufgestellt gegen die Ukraine
Die Mannschaft, die gegen Ungarn startete, könnte gegen die Ukraine allerdings exakt in derselben Formation auflaufen: Neuer im Tor, Rüdiger und Boateng in der Innenverteidigung, Höwedes und Hector rechts bzw. links verteidigend. Im Mittelfeld könnten Khedira und hauptsächlich Kroos das Spiel ankurbeln, in dem sie sich die Bälle (wie gegen Ungarn) schon weit in der eigenen Hälfte abholen. Davor die Dreierreihe mit Draxler auf links, Özil zentral und Müller auf rechts, ganz vorne schließlich Götze. So die statische Grundordnung, in der viele Spieler auf unterschiedlichen Positionen einsetzbar sind.
Der Bundestrainer schwankt hinten rechts wohl noch zwischen Höwedes und Kimmich („das sind die zwei Möglichkeiten“). Und im Sturmzentrum könnte auch Gomez statt Götze beginnen. Gomez’ wuchtiger Kopfball bereitete den Weg für Müllers 2:0. Dann würde Götze anstelle des überdreht wirkenden Draxlers wahrscheinlich auf links beginnen. Oder Podolski dürfte noch mal ran. Exakt zwölf Jahre nach seinem Debüt in der Nationalelf (beim 0:2 gegen Ungarn in Kaiserslautern) ist er zwar immer noch als Stimmungsmacher gebucht. Als nützliche Kraft weiß ihn Löw aber auch zu schätzen, allen Unkenrufen zum Trotz.
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