Fussball: Ein Boot, das schlingert
Nach der 0:2-Niederlage gegen Schalke 04 beschwört Werder Bremen den Zusammenhalt der Mannschaft. Derzeit scheint jeder mit sich selbst beschäftigt zu sein.
Ungefähr eine Stunde nach der 0:2-Heimniederlage Werder Bremens gegen den FC Schalke 04 musste eine Gruppe von Werder-Fans am Mannschaftsbus der Schalker vorbei. Es war nicht überraschend, dass die Bremer Anhänger die üblichen Schmähgesänge anstimmten. Als aber just in diesem Moment zwei Bremer Spieler den Parkplatz verließen, skandierte einer der grün-weißen Fans plötzlich: „Scheiß Werder Bremen.“
Der Bremer Fan schien selbst überrascht von seinem Gefühlsausbruch, genauso wie seine Kollegen. Aber es gab auch niemanden, der protestiert hätte. Die Bremer Anhänger haben die Schnauze voll von den Vorstellungen ihrer Mannschaft.
Dabei hatte Werder gegen pomadige Schalker in der ersten Halbzeit die besseren Chancen. Aber weder Kevin de Bruyne noch Eljero Elia oder Marko Arnautovic brachten den Ball im Tor unter.
Vorausgegangen war dem 0:1 in der 51. Minute ein Fehler von Bremens Assani Lukimya, der Schalkes Julian Draxler den Ball genau vor die Füße spielte. Erneut hatte also jener wackere, aber technisch limitierte Lukimya gepatzt, der schon eine Woche zuvor in Mainz mit einem Bock die Führung des Gegners eingeleitet hatte. Eine gute Viertelstunde nach dem 0:1 geriet Lukimyas Rückpass auf Torhüter Sebastian Mielitz zu kurz. Ciprian Marica schob zum 2:0 ein.
Es ehrt die Bremer, dass sie dem Unglücksraben – zumindest öffentlich – keinen Vorwurf machten. Aaron Hunt erklärte nach dem Match: „Wir gewinnen gemeinsam und wir verlieren gemeinsam. Wir sind ein Team.“ Gewonnen hat Werder allerdings schon seit sieben Spielen nicht mehr. Die Mannschaft kann heilfroh sein, dass der FC Augsburg seine Führung in Dortmund noch verspielte. Nach wie vor haben die Bremer sieben Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz, aber in Halbzeit zwei spielten sie wie ein Absteiger.
Wie ein Absteiger
Und die Aussage, die Mannschaft sei ein Team, kann man auch nur bedingt stehen lassen. Bei Werder scheint jeder mit sich selbst beschäftigt zu sein, keiner hilft dem anderen. Und manch einer stellte nach dem Rückstand das Fußballspielen fast komplett ein. „Es ist ärgerlich, dass uns ein Rückstand jedes Mal so umhaut. Wir haben nicht das Selbstbewusstsein, um zurückzukommen“, meinte Araron Hunt.
Der Unmut der Zuschauer richtete sich am Samstag zunächst gegen die Spieler. Aber nach der erneuten Pleite wird sicherlich auch wieder über Trainer Thomas Schaaf diskutiert. Nach dem Anteil seines Übungsleiters an der Niederlage gefragt, stellte Aaron die Gegenfrage: „Was soll er denn tun, wenn wir solche individuellen Fehler machen?“ Und erklärte dann geradezu staatsmännisch: „Wir sitzen alle in einem Boot.“
Das Boot, um im Bild zu bleiben, schlingert zwar nicht gerade führungslos durch die Liga. Aber man wird das Gefühl nicht los, als würde Thomas Schaaf den Kurs nicht mehr genau kennen. Die fehlende Balance zwischen Offensive und Defensive war schon immer das Problem Werders unter dem Trainer Schaaf. Früher einmal, da war das egal, da bügelte Werders Zauberabteilung die Fehler der Defensive aus. Heute wird mehr gerumpelt als gezaubert und den 54 Gegentreffern stehen nur 43 selbst erzielte Tore entgegen.
Den Hinweis auf die ach so junge Mannschaft und den zu Saisonbeginn vollzogenen Umbruch kann keiner mehr hören. Gleichzeitig scheint es so zu sein, als müsste man den Umbruch vom Umbruch wagen. Werders Sportchef Thomas Eichin ist noch nicht lange im Amt. Bislang steht auch er in Nibelungentreue zu Schaaf. Es dürfte eine der spannendsten Fragen sein, ob er sich in der Trainerfrage in den nächsten Wochen anders positioniert und damit auf Konfrontationskurs zum Rest der Bremer Führungsetage geht.
Vor dem Abstiegsduell am Samstag beim Tabellennachbarn Düsseldorf sagte der Sportdirektor: „Wir sind in einer Phase, in der wir den Arsch als Team vom Glatteis holen müssen. Wir dürfen da nicht solche Fehler machen, dann bin ich überzeugt, dass wir was holen werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Abschiebungen syrischer Geflüchteter
Autokorsos und Abschiebefantasien
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe
Nach dem Sturz von Assad in Syrien
Türkei verkündet Erfolg gegen syrische Kurden
Sturz des Syrien-Regimes
Dank an Netanjahu?