Fußball der Frauen in der Türkei: Auswärtsfahrten selbst bezahlen

Schlechte Plätze, wenig Gehalt, kaum Anerkennung: Der türkische Frauenfußball leidet unter Ungerechtigkeit. Obwohl Istanbuler Großklubs mitmischen.

Bild vom Länderspiel Türkei-Deutschland.

Didem Karagenç hängt zwei Deutsche ab Foto: imago

Fußball ist nach wie vor eine der beliebtesten Sportarten in der Türkei, und obwohl die türkischen Männerfußballvereine wie die Nationalmannschaft in letzter Zeit keine bemerkenswerten internationalen Erfolge mehr verzeichnen konnten, werden die Spiele der Männer in vollen Stadien ausgetragen und die Meister und Pokalseiger mit großer Begeisterung gefeiert. Die Gehälter der Spieler in der Süper Lig, der höchsten türkischen Fußballliga, gehen in die Millionen und sorgen für wirtschaftlichen Wohlstand bei den Fußballspielern.

Ja, die Fußballspieler sind die bestbezahlten Sportler in der Türkei. Fußballerinnen hingegen erhalten deutlich weniger Geld; so wenig, dass es für Frauen meist nicht möglich ist, Fußballspielen als Vollzeitberuf auszuüben. Viele Spielerinnen sind gezwungen, Nebenjobs auszuüben, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Erst vor zwei Jahren haben die großen Fußballvereine der Türkei Abteilungen für Frauenfußball aufgemacht – darunter die renommierten Istanbuler Vereine Galatasaray und Fenerbahçe. Beim dritten Istanbuler Großklub, Beşiktaş, gibt es schon seit 2014 eine Frauenabteilung. Haben diese Entwicklungen den türkischen Frauenfußball entscheidend verändert?

Der Einstieg der drei großen Vereine in den Frauenfußball – auch Trabzonspor hat sich dem Spiel der Frauen geöffnet – war mit großen Erwartungen verbunden. Obwohl ihr Engagement zu Fortschritten geführt hat, sind die wesentlichen Veränderungen bislang ausgeblieben. Die Gehälter sind zwar gestiegen, aber die wirtschaftlichen Herausforderungen sind für die Spielerinnen dieselben geblieben. Bisweilen müssen sie zum Beispiel die Kosten für Ausrüstung und Auswärtsspiele immer noch selbst tragen.

Das eine Prozent

Und so kommt es, dass der Anteil der Frauen im Fußball nach wie vor sehr gering ist. Nur 1 Prozent aller lizenzierten Spie­le­r*in­nen sind weiblich. Für diese niedrige Quote gibt es mehrere Gründe: Wirtschaftliche Faktoren spielen eine wichtige Rolle. Da die Fußballerinnen als solche nicht genug verdienen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, werden sie in andere Berufe gedrängt, was auf Dauer dazu führen kann, dass sie den Fußball ganz aufgeben.

Auch auf anderen Ebenen gibt es sprichwörtlich keine Chancengleichheit: Während die Männer auf qualitativ hochwertigen Rasenplätzen spielen, müssen die Frauen ihre Spiele auf Feldern mit schlecht gepflegter Oberfläche austragen. Auch in Bezug auf die Ausrüstung haben Fußballerinnen nicht die gleichen Bedingungen wie die Männer.

Viele Spielerinnen sind gezwungen, Nebenjobs auszuüben, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten

Und da ist noch etwas anderes. Im ersten Jahr der Pandemie hatten die staatlich beschlossenen Anti-Corona-Maßnahmen großen Einfluss auf den Sport in der Türkei und in der ganzen Welt. Wettkämpfe wurden zeitweise eingestellt, Sport­le­r*in­nen konnten nicht trainieren. Nach und nach wurde der Spielbetrieb in den Fußballligen der Männer wieder aufgenommen, da diese als Profiligen galten und die Hygienevorschriften stemmen konnten. In den Frauenligen wurde nicht gespielt, da sie als Amateurbereich angesehen wurden. Als die Saison 2019/20 coronabedingt abgebrochen wurde, war ALG Spor, Frauenfußballklub aus Gaziantep und aktuell Meister, das Team mit den meisten Punkten. Der Klub sollte die Türkei in der folgenden Saison in der Champions League vertreten und musste die Qualifikationsspiele ohne jegliche Spielpraxis bestreiten.

Über all dem liegt das Problem der immer noch mangelnden gesellschaftlichen Anerkennung der Frau in der türkischen Gesellschaft. Es herrscht in großen Teilen der Bevölkerung immer noch das Vorurteil, dass Frauen nicht Fußball spielen können, ihn nicht einmal verstehen. Die Vorstellung, dass Fußball ein Männerspiel ist, ist weit verbreitet. Es gibt Persönlichkeiten, die sich nicht scheuen, dies auch öffentlich kundzutun. Der Satz von Sportmoderator Melih Şendil, während einer Liveübertragung im Jahr 2020 ausgesprochen, wirkt bis heute nach: „Fußball ist ein patriarchaler Sport. Frauen können vielleicht Volleyball spielen, aber Fußball besser nicht.“

Der Verband ist gefordert

Nun geht es um die Beseitigung der bestehenden Ungleichheiten. Um die Veränderung der gesellschaftlichen Wahrnehmung, um für eine Förderung der Teilnahme von Frauen am Fußball die Grundlage zu schaffen. Auch die Medien sind gefragt. Die reguläre Saison der türkischen Frauenliga wird nicht im Fernsehen gezeigt – nur die Endspiele werden live übertragen. Erst wenn die Saison zu Ende geht, gibt es also überhaupt die Möglichkeit, Spiele der Frauen zu verfolgen.

Damit sich der Frauenfußball aber weiterentwickeln kann, müssen die Zuschauer mit den Teams und den Spielerinnen vertraut sein. Dafür müsste man sie regelmäßig sehen können. Und nur wenn die Spiele regelmäßig übertragen werden, können die Klubs Sponsoren finden. Andernfalls bleibt das Budget für den Frauenfußball dauerhaft beschränkt.

Es ist schlicht nicht hinnehmbar, dass die Sportmedien, wenn sie einmal nicht über Männerfußball berichten, Inhalte aus fast allen Bereichen des Sports verbreiten, aber den Fußballerinnen keinen Platz einräumen. Das muss sich ändern. Die Sportnachrichtensender und -plattformen müssen eine gerechtere Berichterstattung anstreben.

Die größte Verantwortung für die Entwicklung des Frauenfußballs liegt indes beim türkischen Fußballverband TFF. Der muss dafür sorgen, dass in den Frauenfußball genauso investiert wird wie in den Männerfußball. Der Verband sollte sich auch an den Kosten für die Übertragung der Spiele beteiligen.

Der Frauenfußball in der Türkei hat einen weiten Weg vor sich. Es ist der Verband, der seine Entwicklung durch nachhaltige Planung vorantreiben kann.

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