Fußball-WM nicht anerkannter Staaten: Abchasien im Angriff
Bei der WM der nicht anerkannten Länder und Regionen will Abchasien den Titel holen. Doch die Konkurrenz aus Kurdistan und Padanien ist stark.
Artur Mikwabia wittert dieser Tage seine ganz große Chance. „Endlich können wir der ganzen Welt zeigen, dass hier reale Menschen leben. Menschen, die nicht nur den Fußball lieben, sondern auch in der Lage sind, Gäste zu empfangen und ein großes Sportereignis auszurichten“, sagt er. Mikwabia ist Regierungschef der Republik Abchasien.
Diese Region im Süden des Kaukasus mit knapp einer Viertelmillion Einwohnern sagte sich Anfang der 90er-Jahre nach einem Bürgerkrieg mit mehreren Tausend Opfern von Georgien los. Außer von Russland, Venezuela, Nicaragua und der Pazifikinsel Nauru ist das Gebiet, das etwa halb so groß wie Schleswig-Holstein ist, international nicht anerkannt. Das, so die vage Hoffnung der Machthaber, könnte sich jetzt vielleicht ändern. Seit dem vergangenem Sonntag findet in den Städten Suchumi und Gagra, wo sich einst Josef Stalin auf seiner Datscha erholte, unter der Ägide der 2013 gegründeten Konföderation unabhängiger Fußballverbände (Conifa) die Weltmeisterschaft international nicht anerkannter Staaten statt.
Nach der Austragung der WM im Domino 2011 ist dies der zweite Versuch Abchasiens, auf sich aufmerksam zu machen. Die Conifa, Veranstalter des einwöchigen Events mit 12 Mannschaften, hat 35 Mitglieder aus fünf Kontinenten. Dazu gehören neben Abchasien unter anderem Berg-Karabach, Transnistrien, Sápmi (Samen aus Nordeuropa), Nordzypern, Somaliland, Irakisch-Kurdistan, Darfur, der Punjab und Tibet. Sie alle haben keinen Zugang zum Weltverband Fifa.
Im Juni 2014 fand im schwedischen Östersund die erste WM dieser Art statt, bei der die Grafschaft Nizza das Endspiel gegen die Insel Man – ein Eiland in der Irischen See – im Elfmeterschießen mit 5:3 für sich entschied. Auch wenn Abchasiens Regierungschef nicht müde wird, zu behaupten, dass es nicht um Politik, sondern vor allem um Sport gehe, ist die WM natürlich wichtig. Immerhin wurde das Dynamo-Stadion in Suchumi mit 4.300 Plätzen für 3,5 Millionen Dollar renoviert. Auch von der Beherbergung der Mannschaften erhoffen sich die Abchasen Einnahmen, um etwa die Strandpromenaden aufzuhübschen. Dort sind noch Spuren des Bürgerkriegs sichtbar.
Nicht zuletzt geht es auch darum, einen Schritt in Richtung Fifa zu machen. Das ist so abwegig nicht, schließlich wurde auch das Kosovo, das sich 1999 im Zuge eines Kriegs der Nato von Serbien abspaltete, von den Vereinten Nationen jedoch nicht anerkannt ist, am 13. Mai dieses Jahres von der Fifa als 210. Mitglied aufgenommen. „Natürlich wollen wir eine Anerkennung vonseiten der Fifa“, sagt Regierungschef Mikwabia.
„Das hätte schneller passieren können, wenn andere uns nicht politisch Steine in den Weg gelegt hätten.“ Gemeint ist Georgien, das Abchasien als Teil seines Staatsgebiets betrachtet. So ließ ein Sprecher der Regierung in Tiflis jetzt wissen, dass Georgien keine Erlaubnis zur Durchführung der WM erteilt habe. Die Einreise nach Abchasien von Russland aus gilt als eine Verletzung der territorialen Integrität Georgiens. Jeder Spieler, der dies tue, dürfe künftig nicht mehr nach Georgien einreisen und habe ein Verfahren zu erwarten, hieß es.
„Junge Abchasen hatten keine Helden“
Konstantin Janulidi, der zu Sowjetzeiten für den Verein Dinamo Suchumi kickte, ist immer noch ein verrückter Fußballfan. Die Fußballtradition in Abchasien reiche weit zurück, aber mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Bürgerkrieg sei viel verloren gegangen. „Junge Abchasen hatten keine Helden, an die sie glauben konnten. Deshalb ist diese WM so wichtig. Sie ist für die Jungs, die den Fußball in Abchasien entwickeln wollen, eine aufregende Erfahrung und inspiriert sie“, sagt er der taz.
Vielleicht haben die Abchasen ja schon neue Helden. Am Sonntag putzte ihre Elf das Team vom Tschagos-Archipel – ein britisches Gebiet im Indischen Ozean – mit 9:0 vom Platz. Dann gewann das Team des Gastgebers im ausverkauften Stadion von Suchumi mit 1:0 gegen das auf türkischem Staatsgebiet beheimatete Team aus Westarmenien und spielt nun im Viertelfinale gegen die Samen. Beslan Adjinjal, der Trainer der Abchasen, ist sich sicher, dass sein Team diese WM gewinnen wird: „Zu Hause zu spielen gibt uns viel Selbstvertrauen.“ In weiteren Viertelfinalpartien trat die koreanische Diaspora in Japan gegen Nordzypern an, Punjab gegen Westarmenien und Padanien gegen Kurdistan.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein