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Fußball-WM in KatarMit Millionen gegen den Mangel

In Katar läuft es so: Was fehlt, wird einfach mit viel Geld besorgt. Auch im Fußball handelt das Emirat so: beim Aufbau des eigenen Nationalteams.

Skyline in der Nacht mit Werbung für die Fussball-WM in Doha Foto: Peter Jülich/laif

Katar ist ein Land des Überflusses. Wenn mal etwas fehlt, wird es flugs eingekauft. Als die Nachbarländer eine Wirtschaftsblockade gegen das kleine Emirat verhängten, ließ man 2017 kurzerhand 4.000 Kühe einfliegen. Und als man sich bei der Handball-WM 2015 im eigenen Land keine Blöße geben wollte, lockte man eine erlesene Schar von Handballern an, die im Eilverfahren eingebürgert wurden.

Weil ein Nationalitätswechsel beim Weltfußballverband aber kompliziert ist, haben sich die Verantwortlichen vor der Weltmeisterschaft mit einem Problem herumschlagen müssen, das ihnen bisher unbekannt war: mit dem Mangel in den eigenen Landesgrenzen zurechtkommen zu müssen. Wie soll ein Land, in dem nur 2,7 Millionen Menschen leben, von denen nur rund 10 Prozent Staatsbürger sind, und das 2010, im Jahr der WM-Vergabe, auf der Fifa-Weltranglistenposition 113 hing, außerhalb ernstzunehmender Konkurrenz – wie soll ein solches Land nun mit den Besten mithalten?

Streit um die Papiere von Torjäger Almoez Ali

Am Beispiel der Karriere von Almoez Ali, dem torgefährlichsten Spieler im WM-Kader von Katar – im letzten WM-Test gegen Albanien erzielte er den entscheidenden Treffer per Elfmeter –, lässt sich gut veranschaulichen, welche Anstrengungen das Emirat unternommen hat. Bei der Asienmeisterschaft 2019 fiel Ali beim Überraschungssieger Katar nicht nur auf, weil er mit neun Toren einen Rekord in der Geschichte des Turniers aufstellte, sondern auch, weil die Vereinigten Arabischen Emirate Protest gegen seine Teilnahme im Halbfinale einlegten. Sie bezweifelten die Angaben von Almoez Ali, nach denen der damals 22-Jährige im Sudan geboren wurde, seine Mutter aber in Katar. Der Protest wurde zurückgewiesen.

Mit Blick auf den Kader lässt sich grundsätzlich feststellen, dass das eigentlich enge katarische Staatsbürgerschaftsdenken hier etwas lockerer ausgelegt wird. Gebürtig stammt noch ein weiterer Spieler aus dem Sudan, zwei kamen im Irak zur Welt, und jeweils einer in Portugal, Frankreich, Bahrain, Algerien und Ghana. Wobei eingebürgerte Sport­le­r:in­nen in Katar nicht die „volle“ Staatsbürgerschaft, sondern einen sogenannten Mission Passport erhalten. Und auch von den im Emirat gebürtigen Auswahlspielern dieser WM haben einige nichtkatarische Wurzeln.

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Als Almoez Ali neun Jahre alt war, trat er seine siebenjährige fußballerische Grundausbildung in der Elite-Sportakademie von Doha an, der Aspire Academy, die weltweit ihresgleichen sucht. Weit über eine Milliarde Dollar mussten für die Errichtung und Unterhaltung dieses opulenten Sportkomplexes, der 2004 eröffnet wurde, bereits aufgewendet werden. Allein in der Start­elf gegen Albanien standen jüngst fünf ehemalige Academy-Sprösslinge.

Almoez Ali gelang der Sprung nach Europa. Möglich wurde das vor allem dadurch, dass der katarische Staatsfonds 2012 den belgischen Zweitligisten KAS Eupen und dessen 4 Millionen Euro Schulden übernahm. Kurz darauf spielte der Klub dank jährlicher Millionenzuwendungen im einstelligen Bereich wieder erstklassig. Nach einem Jahr im dortigen Juniorenteam zeigte der damalige österreichische Zweitligist, der Linzer ASK, natürlich nicht zufällig Interesse an dem katarischen Stürmer Almoez Ali. Ein halbes Jahr zuvor hatte der Linzer Klub eine Kooperation mit der Aspire Academy vereinbart und bereits ein Trainingslager in Doha absolviert.

Nach nur einem halben Jahr bei den Österreichern zog es Ali ins spanische León. Der verschuldete CYD Leonesa, man ahnt es, wurde von der Aspire Academy aufgekauft, spielte zum Zeitpunkt des Wechsels nur fünftklassig – wurde nun aber von erstklassigem Personal betreut. Ein Angestellter aus Doha passte darauf auf, dass sich die katarischen Talente vom europäischen Lebenswandel nicht ablenken ließen.

Die europäische Spitze als Vorbild

Die Stationen Eupen, Linz und León finden sich bei einigen katarischen Nationalspielern im Lebenslauf. Sie stehen für den Versuch, sich auf bescheidenem Niveau näher an die europäische Spitze heranzuarbeiten. Wesentlich ambitionierter waren für Almoez Ali in den vergangenen Jahren dann die Wettbewerbe, die er mit seinem Nationalteam bestritt. Katar spielte als Gast bei der Ermittlung des Südamerikameisters, des Nord- und Zentralamerikameisters (beides 2019) sowie in einer europäischen WM-Qualifikationsgruppe mit. Selbst hier öffneten sich die Türen der Verbände wundersam leicht.

Und auch wenn die Spieler des katarischen WM-Kaders im Zuge einer nationalen Konzentration wieder ausschließlich bei Klubs in der Qatar Stars League angestellt sind, ist ihr eigentlicher Verein das Nationalteam geworden. Fünfeinhalb Monate bereitete es sich meist abgeschottet in Österreich und Spanien auf das große Turnier vor. Achtungserfolge, wie zuletzt im September gegen Chile (2:2), kann man mittlerweile mehrere vorweisen. Die Investitionen Katars in die Veredelung ihres schmalen Talentepools machen sich also durchaus bemerkbar. In der Fifa-Weltrangliste steht das Emirat nun vor den WM-Mitbewerbern Saudi-Arabien und Ghana auf dem 50. Rang.

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2 Kommentare

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  • Sorry, liest sich gerade so, als ob dergleichen neu wäre. Das Üble ist doch die seinerzeitige Vergabe, die offensichtlich nicht sportlich zu begründen ist, sondern kommerziell. Dass das Geld bei Fußball eine immense Rolle spielt - offensichtlich nicht nur für das superreiche Katar, Rolle Beckenbauers =?? - könnte ruhig bei jedem Artikel erwähnt werden und genauer ausgeführt.

  • Markus Völker taz.de



    Gianni Infantino



    Bizarre Rede von Fifa-Chef Infantino:



    Der multiple Präsident



    taz.de/Bizarre-Red...nfantino/!5894100/