Fußball-WM 2023 ist bald vorbei: Der diskrete Charme dieses Turniers
Kein Public Viewing, kein Platzfreihalten. Auch dank der ungewöhnlichen Spielzeiten hat diese WM etwas Entspanntes.
S chade, dass es fast schon wieder vorbei ist. Am Ende fühlt es sich beinahe so an, als ob sich so ein Turnier ausschleiche. Statt zwei oder drei Spiele am Tag kommen da insgesamt nur noch vier (ja, es gibt ein Spiel um Platz 3), verteilt auf weit voneinander entfernt liegende Tage.
Nun könnte man sagen, es gebe eh genug Fußball. Die Männer legen national ja auch wieder los – 2. und 3. Liga, Supercup, Pokalrunde. Der Sättigungsgrad kommt schnell.
Aber wie jedes Großturnier, oder sagen wir, wie fast jedes Großturnier hat auch die WM 2023 in Australien und Neuseeland einen besonderen Charme. Was daran liegt, dass das Turnier so weit entfernt stattfindet und viele Spiele zu interessanten Uhrzeiten angepfiffen werden. Die Nachteulen und Ausgehmenschen jüngeren Alters zum Beispiel konnten sich nach dem Ausgehen, berauscht und müde, noch gemütlich das Viertelfinale zwischen den Niederlanden und Spanien zu Gemüte führen. Es wurde um 3 Uhr nachts angepfiffen. Frühaufsteher sind eh gut im Turnier – Fußball und Frühstück, das hat was. Besonders an einem freien Wochenende.
Weiterer Pluspunkt dieses Turniers: die relative Unaufgeregtheit. Die Sommerturniere der Löw-Mannschaft-Hype-Jahre waren anstrengend, schlauchend; obwohl jedes kleine Geschäft in der Hoffnung, ein größeres zu machen, einen Flachbildschirm rausstellte, wurde das Rudelgucken insgesamt schnell zu einem logistischen Problem: Wo gab es noch freie Plätze? Wo war das Signal nicht sekundenverzögert später als in der einen Kneipe, in die man nicht so gerne geht? Besonders zu Deutschlandspielen musste man handtuchbewehrt bis zu zwei Stunden vor Anpfiff vor Ort sein; es herrschten anarchische Zustände, was besonders das Platzfreihalten anbetraf, so rum oder so rum. Man hasste die mit den Handtüchern, man hasste die Frage „Hier noch frei?“.
Eingemümmelt
Wie schön und entspannend ist es da, morgens beim laufenden Spiel Frankreich gegen Australien noch schnell zum Supermarkt zu gehen, und nirgends ist irgendeine Aufregung zu spüren. Man begegnet einer Kleingruppe Franzosen, die sich einen feuchten Kehricht um ihre Blauen kümmern. Keine plärrenden Fernseher in der Hitze. Keine anstrengenden Fans.
Schön ist auch der Gegensatz – umgekehrt zur Katar-WM – zwischen Fernsehbild und Realität: Hier ist Sommer, da unten sind die Fans eingemümmelt. Schade, dass es schon wieder fast vorbei ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen