Fußball-Transfers in China: Bis die Pille platzt
Der chinesische Transfermarkt boomt. Die Fußballklubs geben Rekordsummen für neue Spieler aus. Schon ist von einer Blase die Rede.
In keiner Nationalliga wurde im Wintertransferfenster so viel Geld für neue Spieler hingeblättert wie in China. Mit umgerechnet rund 130 Millionen Euro werden die chinesischen Erstligaklubs bis zum Ende der Transferperiode sogar mehr Geld für Transfers ausgegeben haben als die Klubs der englischen Premier League.
Und auch in Chinas zweiter Liga sitzt das Geld locker. Nach Angaben der China Daily werden deren Vereine bis Ende Februar rund 48 Millionen Euro investiert haben – rund 10 Millionen Euro mehr als die deutschen Erstligisten im gleichen Zeitraum.
Vor allem brasilianische Spieler sind bei chinesischen Vereinen derzeit angesagt. Für den Mittelfeldspieler Renato Augusto bezahlte der Pekinger Erstligist Guoan Anfang Januar eine Ablösesumme von rund 8 Millionen Euro.
Von Rom nach Hebei
Um den ehemaligen Leverkusener hatte sich auch der FC Schalke 04 bemüht. Doch die Chinesen boten mehr. Für seinen Landsmann Carlos Silva, bekannt auch unter dem Namen Gil, zahlt der Verein Shandong Luneng sogar 10 Millionen Euro.
Für 15 Millionen Euro wechselt der ivorische Stürmer Gervinho vom renommierten AS Rom zum außerhalb Chinas kaum bekannten Verein Hebei China Fortune F.C. und Jiangsu Suning hat Ramires für 27 Millionen Euro vom FC Chelsea verpflichtet.
Der chinesische Erstligist Guangzhou Evergrande hat Jackson Martínez von Atlético Madrid für die Rekordsumme von 42 Millionen Euro verpflichtet.
Staatspräsident Xi Jinping
Doch auch für heimische Spieler bieten die chinesischen Vereine derzeit hohe Summen. Den Wechsel des Verteidigers Bi Jinhao von Henan Jianye ließ sich der Shanghaier Klub Shenhua rund 10 Millionen kosten.
Für den im internationalen Maßstab eher mittelklassigen Torwart Zhang Lu zahlte Quanjian Tianjin sogar über 11 Millionen Euro. Insgesamt gab der Zweitligist im Wintertransferfenster rund 40 Millionen Euro für neue Spieler aus, allein 11 Millionen für den ebenfalls brasilianischen Spieler Geuvanio.
„Nationale Prestigefrage“
„Chinas Vereine haben sich spielerisch noch gar nicht behauptet“, sagt Lu Zhiyuan, ein unabhängiger chinesischer Fußballexperte. Trotzdem würden Rekordsummen gezahlt. „Es sieht verdächtig nach einer Blase im chinesischen Fußball aus.“
Dass im chinesischen Fußball derzeit so hohe Transfersummen geboten werden, ist unmittelbar auf Chinas Staatspräsident Xi Jinping zurückzuführen. Der bekennende Fußballfan hatte vor zwei Jahren den Aufbau einer Profiliga zu einer „nationalen Prestigefrage“ erklärt. „Ein Aufleben des Fußballs ist entscheidend auf Chinas Weg zu einer Sportnation“, waren seine Worte.
Die chinesische Nationalmannschaft belegte im weltweiten Fifa-Ranking damals Platz 78. Inzwischen ist China sogar auf den 84. Platz abgerutscht. Trotzdem wird im chinesischen Fußball seitdem kräftig geklotzt.
Nicht nur die Regierung hat landesweit Hunderte von Fußballschulen errichten lassen, um junge Spieler zu trainieren. Auch Chinas reiche Unternehmer folgten dem Aufruf ihres Staatschefs.
Wertvoller als Atlético
Vor einem Jahr kaufte der Internetkonzern Alibaba für umgerechnet rund 140 Millionen Euro den chinesischen Meister Guangzhou Evergrande – eine für chinesische Verhältnisse ungewöhnlich hohe Summe. Auf einen Schlag rangierte das Fußballteam aus der südchinesischen Metropole weltweit auf Platz 16 der wertvollsten Fußballklubs und wurde damit sogar höher bewertet als Atlético Madrid.
Zuvor hatte bereits der Immobilienhai Wang Jianlin, der es mit seinem Unterhaltungskonzerns Wanda zum derzeit reichsten Chinesen geschafft hat, den Fußballklub seiner Heimatstadt Dalian für rund 60 Millonen Euro gekauft. Auch andere Milliardäre investieren seitdem kräftig in chinesische Vereine, die wiederum nun Rekordsummen für neue Spieler ausgeben.
Kritiker befürchten, dass der massive Zukauf ausländischer Spieler dem Ziel der Zentralregierung womöglich sogar entgegenstehen könnte. Schließlich nehmen sie den chinesischen Spielern die Möglichkeit, häufig zum Einsatz zu kommen. Für Einsätze im Nationalteam seien sie unzureichend vorbereitet.
Fußball-Experte Liu befürchtet noch mehr negative Folgen: Trotz der hohen Transfersummen bleibe das Niveau der chinesischen Klubs schlecht. Viele ausländische Spieler würden China von sich aus schnell wieder verlassen wollen, prophezeit Liu. Spätestens dann platze Chinas Fußball-Blase.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht