Fußball-Profi Davie Selke: Der Mehrwert-Spieler
Fußballer Davie Selke wechselt gegen ein hohe Ablöse vom SV Werder zum Zweitligisten RB Leipzig. Bremer Fans sind trotzdem erzürnt.
Nach dem dürftigen 0:0 gegen Mainz 05 hatte wenigstens ein Werder-Spieler Grund für etwas Freude: Das Pfeifkonzert gegen Davie Selke fiel wesentlich milder aus, als es nach den Turbulenzen der Vorwoche zu befürchten war. Nicht nur ihn selbst, sogar seinen Friseur, der mit dem Konterfei des Spielers warb, ereilte einer jener Shitstorms, mit denen seit einiger Zeit jeder rechnen muss, der die kruden Ehr, Treue und Heimatbegriffe irgendeiner tümelnden Szene verletzt. „Mach das Bild von den Judas von dein Geschäft ab“, hieß es da in einem von über 100 Facebook-Kommentaren ähnlichen Niveaus – „sonst machen wir das“.
Selkes Vergehen? Im Sommer wechselt er zum Zweitligisten RB Leipzig. Hieße sein neuer Klub – sagen wir mal – Fortuna Düsseldorf, man würde sich über die Wahl wundern, aber Hassgefühle blieben selbst bei dumpfen Gemütern aus. Aber der Retortenklub des österreichischen Brause-Milliardärs Dietrich Mateschitz zieht im Moment die Ressentiments all derer auf sich, die im Stellungskrieg um die Vorherrschaft im Fußball den endgültigen Durchmarsch des Kapitals noch etwas herauszögern wollen.
Wenn der 70-jährige Mateschitz sagt, er möchte nicht erst 80 sein, wenn RB Leipzig deutscher Meister wird, ist das natürlich eine Provokation für jeden, der noch an einen fairen Wettbewerb glauben möchte. Die Reflektierteren, also die große Mehrheit der Fußballfans, wissen aber auch: Es gibt im System Profifußball keine Guten mehr, sondern nur noch welche, die zu weit unten in der Nahrungskette stehen, um sich viele Feinde zu machen. So wie der SV Werder Bremen, der den Grundstein für den Selke-Deal bereits mit der Vertragsverlängerung zu Saisonbeginn legte – sonst müsste man das Stürmertalent jetzt ohne Ablöse ziehen lassen. Mindestens acht Millionen Euro fließen im Sommer in die klamme Bremer Kasse, und der von Sportchef Thomas Eichin geprägte Begriff des Mehrwert-Spielers wird so richtig anschaulich.
Musterprodukt der Talenförderung
Für Stoßstürmer Selke, der 2014 als Torschützenkönig der U 19-EM für Furore sorgte, ist Leipzig nach der TSG Hoffenheim und Werder die dritte Station im jungen Berufsfußballer-Leben. Er ist damit nicht nur ein Musterprodukt des deutschen Talentfördersystems, sondern auch ein Beispiel dafür, wie früh Spieler heute zu Anlageobjekten mit strategischer Karriereplanung werden.
Das gut bezahlte Risiko trägt der Spieler selbst: ob RB Leipzig in der kommenden Saison tatsächlich in die 1. Liga aufsteigt, ist genauso unsicher wie Selkes Stammplatz. Zurzeit finden sich fünf Stürmer im Kader – und der wächst noch.
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