Fußball-Bundesliga: Wenig Spielraum neben Super-Egos

Vor dem Rückrundenstart ist Bayern München dabei, seinen Kader zu verstetigen. Das lässt den Klub für junge deutsche Talente wenig attraktiv erscheinen.

Perfekte Vorbereitung: Der FC Bayern sieht sich nach dem Trainingslager in Katar bestens präpariert. Bild: dpa

MÜNCHEN taz | Das Handeln der Bayern-Bosse als Angestellter mit dem Begriff "Sauerei" in Verbindung zu bringen, ist schon ein starkes Stück. Auf dem Rasen würde man von einem "groben Foul" oder "unsportlichem Verhalten" sprechen und den Delinquenten mit einer dunkelgelben Karte verwarnen, wenn nicht gar mit einer blutorangenen.

Doch im Falle des chronischen Sorgenkindes Breno ließ Vereinschef Karl-Heinz Rummenigge (Spitzname: Killer-Kalle) Milde walten: "Ich würde ihm die leicht Gelbe Karte zeigen." Hellgelb für den mürrischen Angestellten, der sich unter @Breshow02 per Twitter beschwert hatte, dass er statt mit den Profis in Erfurt mit den Amateuren in Burghausen spielen musste.

"Was für eine Phase ich durchmache. Bayern macht eine Sauerei mit mir", zwitscherte Breno, löschte seinen Tweet kurz darauf, doch da hatte Schiri Rummenigge schon den leicht gelben Karton gezückt und verfügt, Breno solle die Zwitscherei künftig bleiben lassen. Man könne als Bayern-Spieler im Netz seinen Gefühlen "nicht zu sehr freien Lauf lassen".

Das war sie auch schon: die dramatischste Winterpausen-Geschichte aus dem Hause FC Bayern. Kein Vergleich zu dem Erdbeben, das ein gewisser Louis van Gaal mit seiner unabgesprochenen Torwart-Rochade vor tatsächlich erst zwölf Monaten losgetreten hatte.

In der Rückrunde ist der Spaß vorbei

Ein Jahr später flötet der neue Coach vom schönsten, tollsten, sonnigsten Trainingslager aller Zeiten, schluckte auch den Marketingausflug zur Fußballgroßmacht Indien ohne Murren und verdonnerte die wechselwilligen Ivica Olic und Danijel Pranjic kühl zum Bleiben.

Und sonst? Franck Ribery eröffnet eine Bar in seiner Heimat, Uli Hoeneß ist jetzt 60 und lobt im Duo mit Rummenigge die Trainerkünste von Jürgen Klinsmann. So weit, so spaßig.

Doch wenn die Bayern nun in Mönchengladbach die Bundesliga-Rückrunde eröffnen, ist die Zeit der Späße vorbei. Rummenigge sagt: "Uns muss klar sein: Am Freitag geht die Jagd auf Bayern München los." Der FCB ist heuer zum Erfolg verdammt - noch mehr, als er das sowieso immer ist.

Dass mit dem Beginn der K.-o.-Runde in der Champions League der spannendere Teil der Saison beginnt, an deren Ende auch bitte schön Meister- und Pokal-Titel wieder an die Isar wandern sollen - dieses Szenario kennt die Liga. Doch schon lange nicht mehr sind für die Münchner Erfolge so nötig gewesen wie in dieser Saison, die dem Rekordmeister nach der letzten komplett titellosen Spielzeit einen nachhaltigen Knacks bescheren könnte.

Marco Reus geht lieber zu Klopps Leidenschaftstruppe

Denn: Der Status als Sehnsuchtsort aller Kicker droht den Bayern verlustig zu gehen. Trotz offensiven Werbens entschied sich mit Marco Reus der derzeit heißeste Kicker der Liga für den Wechsel zur Leidenschaftstruppe von Jürgen Klopp.

Keine Lust auf Konkurrenzkämpfe mit den Super-Egos Ribery und Robben. Letzterer will demnächst wie schon seine Starkollegen Ribery, Müller, Kroos seinen Vertrag verlängern, was den FCB für junge deutsche Offensivkräfte auf absehbare Zeit nicht attraktiver macht.

Die einzigen deutschen Kicker, die in der jüngeren Vergangenheit an der Säbener Straße den Sprung zur festen Bayern-Größe schafften, heißen Thomas Müller und Holger Badstuber. Andere bewiesen sich zunächst in der Fremde (Philipp Lahm, Toni Kroos), mussten erst auf die richtige Position geschoben werden (Bastian Schweinsteiger) oder kamen schon erfolgreich in München an (Mario Gomez, Manuel Neuer).

Bis auf Emre Can, den Kapitän des deutschen U17-Teams, der mit zum Trainingslager nach Doha durfte, drängt sich aus der Bayern-Jugend niemand auf. Da sind wohl die Transferkünste von Sportdirektor Christian Nerlinger gefragt. Dessen Einkäufe (Jerome Boateng, Rafinha, Neuer, Nils Petersen) im vergangenen Sommer kosteten nicht wenig Geld, spielten bislang aber kaum eine Rolle - abgesehen von Ausnahmekönner Neuer.

Champions-League-Finale vor eigenem Publikum

Wie gut er und seine Vorderleute wirklich sind, hat man wahrscheinlich noch gar nicht gesehen. Zu problemlos stürmten sie durchs erste Saisondrittel, zu verständlich die Hänger gegen Dortmund und Mainz, zu wenig gefordert in der Königsklasse. Zumindest Letzteres könnte sich bald ändern.

Allenthalben dieselben Vergleiche: "Die Bayern haben fast zum FC Barcelona und zu Real Madrid aufgeschlossen", meint TV-Experte Stefan Effenberg, "das Datum 19. Mai haben alle im Kopf. Ein Champions-League-Finale vor eigenem Publikum erreichen zu können, ist Motivation pur." Und: "Wenn nichts Außergewöhnliches passiert, dann wird der FC Bayern die Meisterschaft gewinnen." So weit "Tiger" Effenberg, der bislang letzte deutsche Kapitän eines Champions-League-Siegers.

Er wird wohl recht behalten. Denn dass Borussia Dortmund den Rausch vom Vorjahr wiederholen kann, ist etwa so wahrscheinlich wie ein viermonatiges Andauern der sagenhaften Gladbach-Hausse. Von Schalkes chronischer Meister-Phobie ganz zu schweigen.

Bleibt der FC Bayern. Bei dem wird nun der in der Hinrunde lange verletzte Arjen Robben groß rauskommen, da ist sich Karl-Heinz Rummenigge sicher. Und wie sich das für einen eloquenten Bayern-Boss gehört, kleidet er diese Erkenntnis am Ende des Tages in die salbungsvollen Worte: "Ich wünsche ihm, dass er uns grandios und furios hilft." So wirds gemacht: Mitarbeitermotivation in nur 56 Zeichen. Ein richtiges Twitter-Talent, dieser Rummenigge.

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