Fußball-Bundesliga, 30. Spieltag: Selbstdemontage in Köln
Weil sich Sportdirektor Finke in die Belange von Coach Schaefer einmischt, kommt Unruhe in die Mannschaft. Mutiert der 1. FC Köln wieder zum Abstiegskandidaten?
KÖLN taz | Es waren merkwürdige Bilder des inneren Verfalls, die sich nach dem 1:3 des 1. FC Köln gegen den VfB Stuttgart zu einem verstörenden Puzzle zusammenfügten. Vor der Südkurve des Müngersdorfer Stadions hing ein gigantisches Spruchband, "Vertrauen missbraucht. Wer die Derbys so spielt, der hat die Saison versaut", stand dort in Anspielung auf die beiden hohen Niederlagen gegen Gladbach geschrieben.
Oben auf den Ehrenplätzen saß der Vorstand und tuschelte mit Sportdirektor Volker Finke, die Gesichter waren ernst. Und unten auf dem Rasen unternahm der Kölner Trainer Frank Schaefer einen Versuch, seine Mannschaft zusammenzurufen. Er wollte dem furchtbar schlechten Spiel ein paar positive Worte entgegensetzen, doch Profis wie Petit oder Youssef Mohamad blieben der Versammlung einfach fern. Köln zerfleischt sich gerade selbst.
Michael Rensing, der tapfere Torhüter, der in den letzten drei Spielen 14 Gegentore kassiert hat, regte später an, dass die Mannschaft sich dringend zusammensetzen müsse: "Allerdings weiß ich nicht, wie viele ich zusammentrommeln könnte." Das Team droht auseinanderzufallen, auch Frank Schaefer berichtete von seinen Problemen mit diesem schwierigen Kader.
Mainz - M'gladbach 1:0 (0:0)
Tor: 1:0 Schürrle (87.)
***
Köln - Stuttgart 1:3 (0:0)
Tore: 0:1 Träsch (51.), 0:2 Harnik (53.), 0:3 Kuzmanovic (63./Handelfmeter), 1:3 Novakovic (67.)
***
HSV - Hannover 0:0
***
Kaiserslautern - Nürnberg 0:2 (0:1)
Tore: 0:1 Eigler (34.), 0:2 Mak (90.+2
***
Hoffenheim - Frankfurt 1:0 (0:0)
Tor: 1:0 Roberto Firmino (78.)
***
Wolfsburg - St. Pauli 2:2 (1:0)
Tore: 1:0 Mandzukic (39.), 1:1 Naki (61.), 1:2 Lehmann (77.), 2:2 Polak (89.)
***
Bremen - Schalke 1:1 (0:0)
Tore: 1:0 Wagner (59./Foulelfmeter/Nachschuss), 1:1 Edu (64.)
"Ich habe hier jetzt sechs Monate lang Tag und Nacht gekämpft, um aus der Mannschaft eine Einheit zu machen, aber dass das jeden Tag eine neue Herausforderung ist, das muss ich auch ganz klar sagen", sagte der Trainer und nannte die missratene Aktion am Mittelkreis "ein Spiegelbild für das, was wir auf dem Platz geboten haben".
Zumal unter der Woche mindestens ein Spieler Interna aus der Kabine an die Öffentlichkeit lanciert hatte. Sportdirektor Finke mische sich in die Videoanalyse ein und untergrabe damit Schaefers Autorität, schrieben mehrere Zeitungen.
Diese Form der Intervention eines Funktionärs ist ein Tabubruch. Finke greift auch immer wieder in die Trainingseinheiten ein, und zuletzt hat Finke dann ohne jede Not Schaefers christlichen Glauben und seine Mitgliedschaft in einer evangelisch-freikirchlichen Gemeinde zu einem großen Thema aufgebaut. Schaefer zögere, den ihm angebotenen Vertrag zu unterschreiben, weil sein religiöses Leben sich nur schwer mit dem Trainerberuf verbinden lasse, erzählte Finke in kleiner Runde.
Das Glaubensthema
Wenn nicht alles täuscht, ist Schaefers Verhältnis zu Finke spätestens nach diesem Vorstoß schwer beschädigt. "Ich habe meine Meinung dazu, aber jeder soll selber bewerten, ob das richtig ist und korrekt ist", sagte der Trainer. Diese Kritik richtete sich allerdings auch gegen den medialen Umgang mit der Angelegenheit, die über mehrere Tage ganze Zeitungsseiten füllte. "Das waren sehr persönliche Dinge, da hat diese Woche eine neue Dimension erreicht", meinte Schaefer, der sich zumindest öffentlich beispielhaft korrekt verhält.
Finke hingegen wirkte angeschlagen, als er sich irgendwann vor Journalisten zeigte. "Wir müssen aufpassen, dass wir das Augenmerk auf die fußballerische Leistung auf dem Platz legen", sagte er, dabei war er es gewesen, der das Glaubensthema in die Schlagzeilen gehievt hatte. Seine Motive liegen im Dunkeln.
Eine Erklärung wäre, dass Finke die Stadt langsam auf einen Trainerwechsel vorbereiten möchte, möglicherweise ist der Sportdirektor grundsätzlich nicht überzeugt von Schaefer als Cheftrainer. Dazu würde auch Finkes Eingreifen in die Spielanalyse und den Trainingsbetrieb passen. Finke sprach von einem "Negativtrend, nicht nur in den Auswärtsspielen, sondern eigentlich schon in den letzten Heimspielen", auch das klingt nach Zweifeln am Trainer, angeblich gab es erste Sondierungsgespräche mit Michael Skibbe.
Kritisch betrachtet, liegt Schaefers Verdienst vor allem darin, ein internes Klima erzeugt zu haben, dass die Rekordserie von sieben Heimsiegen am Stück ermöglichte. Fußballerisch hat das Team sich hingegen kaum weiterentwickelt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Greenpeace-Vorschlag
Milliardärssteuer für den Klimaschutz
Katja Wolf über die Brombeer-Koalition
„Ich musste mich nicht gegen Sahra Wagenknecht durchsetzen“
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen