: Für einen Parlamentssitz dürfte es nicht reichen
■ Radikale Linke und Umweltparteien spielen im französischen Wahlkampf kaum eine Rolle. Mehrere Öko-Gruppierungen nehmen sich gegenseitig die Stimmen weg
Paris (taz) – „Wir sind die Linke“, steht auf dem Flugblatt, das vor der Pariser Konzerthalle Zénith an die sozialistischen Parteifreunde verteilt wird, die zum Meeting von Parteichef Lionel Jospin streben. „Links, rechts, das ist doch alles dasselbe“, sagt ein Mann im Rentenalter, „oder gibt es da noch Unterschiede?“
„Ja“, antworten die Unterzeichner des Flugblatts, ein paar Dutzend Organisationen: darunter die „papierlosen“ – das heißt ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung in Frankreich lebende – Afrikaner, Filmemacher gegen die Ausländergesetzgebung, Schwule, Anwaltskollektive, Technomusiker, Gewerkschafter und junge Immigrantinnen – die bei den sozialen Protestbewegungen der vergangenen zwei Jahre mehrfach die Regierung Juppé vor sich hertreiben konnten. „Die offizielle Linke wird nicht ohne uns siegen“, fügen sie selbstbewußt hinzu. Aber zu ihrer Demonstration am vergangenen Samstag in Paris kamen nicht einmal tausend Menschen.
Im Wahlkampf spielen die radikale Linke und die Umweltparteien kaum eine Rolle. Sie haben mehr Organisationen denn je in das Rennen um den Einzug ins Parlament geschickt und sind eindeutig Opfer der knappen Zeit geworden, die nicht für Bündnisverhandlungen reichte. Obskure Ein- Punkt-Bewegungen wie die „Union für eine Vier-Tage-Woche“, die für Arbeitszeitverkürzung mit Lohnreduzierung eintritt, und die „Papa-Partei“, die das Sorgerecht der Väter verteidigt, verunsichern die Wähler zusätzlich.
Neben den traditionellen Kandidaten der beiden trotzkistischen Gruppen LO und LCR, den Repräsentanten von Chevènements „Bürgerbewegung“ (MDC) und den Kommunisten (PCF), treten landesweit sechs Öko-Parteien an. Allerdings sind längst nicht alle Öko-Kandidaten Linke. In der „Unabhängigen Umweltbewegung“ (MEI) von Antoine Waechter beispielsweise versammeln sich Umweltfundamentalisten, die sich selbst als „weder rechts noch links“ bezeichnen.
Und die „Génération Écologie“ (GE) des einstigen sozialistischen Ministers Brice Lalonde diskreditierte die gesamte Öko-Bewegung, indem sie sich als reine Geldbeschaffungsmaschine präsentierte und Hinz und Kunz schriftlich aufforderte, ihre Kandidatur anzumelden, um die langfristige Finanzierung der GE aus der Staatskasse zu sichern.
Die übrigen Umweltgruppen versuchten sich vergeblich an einer landesweiten Einigung. „Les Verts“ (die Grünen), die stärkste Gruppierung unter ihnen, unterzeichnete ein Abkommen mit der Sozialistischen Partei (PS), das zwar den Stopp des Atomprogramms und des Rhein-Rhône- Kanals in das sozialistische Programm hievte, aber für eine Abkoppelung von den anderen Öko- Organisationen sorgte.
Optimistische Meinungsforscher erwarten maximal 6,5 Prozent für alle Umweltorganisationen zusammen. Einen Parlamentssitz rechnen sich allenfalls ihre prominentesten Figuren Noäl Mamère von der „Écologie Citoyenne“, die mit Regionalisten aus Katalonien, Korsika und der Bretagne zusammenarbeitet, sowie Dominique Voynet, Chefin von „Les Verts“, die in ihrem Wahlkreis von der PS unterstützt wird, aus.
Bei den Kommunisten hatte die Basis vielerorts ein Bündnis links der PS gefordert. Doch die Spitze setzte sich durch, sie unterzeichnete ein taktisches Übereinkommen mit der PS, verzichtete auf ihr zuvor offensives Engagement gegen die Maastrichter Verträge und stellte überall eigene Kandidaten auf. Lediglich in vier Wahlkreisen, mit starken rechtsextremen Kandidaten, einigten sie sich auf gemeinsame, antifaschistische Bündnisse.
Doch trotz ihres elektoralistischen Alleingangs zogen Kommunisten in den vergangenen Wochen einige Sympathien auf sich. In Paris kam eine kommunistische Mode auf. Die Parteizeitung Humanité fand sogar beinahe täglich einen anderen vormals sozialistischen oder gar neogaullistischen Intellektuellen, der jetzt die Kommunisten wählen will. Dorothea Hahn
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