piwik no script img

Fünf-Sterne-Bewegung in ItalienPlötzlich kopflos

Die Partei rutscht weiter in die Führungskrise. Ein Zivilgericht hat die Wahl des bisherigen Parteichefs Conte in 2021 für ungültig erklärt.

Ist mehrfach gefordert: Beppe Grillo, hier beim Protest im November 2016 in Rom Foto: ZUMA Press/imago

Rom taz | Nach einem Gerichtsentscheid hat sich die Krise bei der Fünf-Sterne-Bewegung in Italien verschärft. „Die Situation ist sehr kompliziert, das können wir nicht abstreiten“, schrieb Parteigründer Beppe Grillo auf Facebook. Ein Richter in Neapel hatte am Montag eine einstweilige Verfügung erlassen, die die im August 2021 erfolgte Wahl Giuseppe Contes zum Vorsitzenden der Fünf Sterne ebenso für ungültig erklärte wie die damalige Abstimmung über das neue Statut der Protestbewegung.

Das Movimento5Stelle (M5S) hatte in den Jahren 2018 bis 2021 mit Conte Italiens Ministerpräsident gestellt und ist gegenwärtig Koalitionspartner in der Regierung unter Mario Draghi. Nun ist die Bewegung der gesamten Führungsstruktur beraubt. Auch die fünf stellvertretenden Vorsitzenden sind erst einmal suspendiert.

Drei Ba­sis­ak­ti­vis­t*in­nen des M5S aus Neapel waren vor Gericht gezogen, um die in ihren Augen undemokratische Wahl Contes zu kippen. Sie ebenso wie die Abstimmung über das Statut waren wie bei den Fünf Sternen üblich als Online-Votum der registrierten Ak­ti­vis­t*in­nen abgewickelt worden; Conte hatte mit etwa 90 Prozent der Stimmen einen überzeugenden Erfolg verbuchen können. Doch der Richter störte sich an der Tatsache, dass das M5S all jenen, die seit weniger als sechs Monaten registriert waren, das Votum verweigert und damit 80.000 der 195.000 Ak­ti­vis­t*in­nen ausgeschlossen hatte.

Im Amt bleibt beim M5S damit nur noch einer: der Comedian und Gründer Grillo, der als „Garant“ des M5S fungiert. Und als Erstes stoppte Grillo Conte, der die Abstimmungen einfach schnell unter Beteiligung auch der seinerzeit ausgeschlossenen Jungmitglieder wiederholen und dann weitermachen wollte. Grillo fürchtet schlicht, dass auch ein solches erneutes Votum nicht gerichtsfest sein könnte.

Aufmerksamkeit durch Konflikt an der Spitze

Brisanz aber gewinnen die juristischen Probleme, weil sich die Bewegung auch in ihrer Politik schon vorher zunehmend kopflos zeigte. Das wurde bei der Wahl des italienischen Staatspräsidenten vor wenigen Tagen überdeutlich. In ihr verfolgten Conte und der M5S-Außenminister Luigi Di Maio diametral entgegengesetzte Strategien: Während Conte den Ministerpräsidenten Draghi unbedingt als Präsidenten verhindern wollte, war Di Maio einer der größten Fürsprecher Draghis – mit der Folge, dass zwischen den beiden am Ende ein heftiger öffentlicher Zwist ausbrach.

Die Ironie das Krachs: Eine Bewegung, die gegen die in ihren Augen bloß machtversessenen Altparteien angetreten war, machte jetzt mit einem Konflikt an der Spitze auf sich aufmerksam, bei dem es sich ausschließlich um Machtfragen drehte.Conte und Di Maio stehen nämlich gleichermaßen für die Abkehr des M5S von dem alten, lärmend-populistischen Kurs, mit dem die Bewegung 2013 ins Parlament eingezogen war und mit dem sie 2018 das Sensationsergebnis von knapp 33 Prozent der Stimmen verbuchen konnte.

Beide sind sich einig, dass die Zukunft der Fünf Sterne nur innerhalb eines „progressiven Lagers“ an der Seite der gemäßigt linken Partito Democratico gesichert werden kann. Beide eint aber auch die Schwierigkeit, dem M5S ein neues inhaltliches Profil zu verleihen. Damit müssten sie den langsamen, aber stetigen Niedergang der Fünf Sterne aufhalten – gegenwärtig rangieren sie noch bei 13 bis 15 Prozent der Wäh­le­r*in­nen­schaft.

Damit ist der Gründer Beppe Grillo jetzt gleich mehrfach gefordert: bei der Lösung der Justizprobleme rund um Statut und Vorsitz, bei der Schlichtung im Duell zwischen Conte und Di Maio und bei der Schärfung der inhaltlichen Positionen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!