Führungskrise der Linkspartei: Realo-Ostmann vorm Comeback
Dietmar Bartsch will heute erklären, ob er tatsächlich Chef der Linkspartei werden will. Dem Ex-Bundesgeschäftsführer wird zugetraut, eine Urwahl zu gewinnen.
BERLIN taz | Die Befassung mit dem eigenen Nabel ist ein großes Problem der Linkspartei. Das findet jedenfalls ihr Vizefraktionschef im Bundestag, Dietmar Bartsch. Er weiß damit viele in der Partei hinter sich. "Aus der in der Linken immer wieder strömungsübergreifend kritisierten Selbstbeschäftigung kommen wir nicht per Dekret heraus, sondern nur, indem wir politische Projekte gemeinsam in die Hand nehmen", schreibt Bartsch aktuell in seinem Blog.
Doch auch wenn er das selbst nicht will - Bartschs nächstes Projekt dürfte diese Selbstbeschäftigung erst einmal verstärken, bevor sie eines Tages wieder abnehmen kann. Am heutigen Mittwoch will Bartsch erklären, ob er für den Parteivorsitz kandidiert. Seine Ambitionen wurden zuletzt von der Linkspartei-Führung offenbar nicht mehr bezweifelt. Die Mitteldeutsche Zeitung berichtet, dass daher die Mehrheit des Bundesvorstands sowie die Landesverbände Hessen und NRW einen Mitgliederentscheid über den Parteivorsitz verhindern wollen - Bartsch könnte schließlich gewinnen.
Im Juni 2012 soll ein neues Parteiführungsduo die aktuellen Chefs Gesine Lötzsch und Klaus Ernst ablösen: Mann/Frau, Ost/West, Realo/Fundi. Bartsch würde die Realo-Ostmann-Rolle ausfüllen. Es wäre ein Comeback für den heute 53-Jährigen.
Nicht ganz zwei Jahre ist es her, dass Bartsch von Fraktionschef Gregor Gysi bezichtigt wurde, sich gegenüber der Presse zum Verhältnis der Linken-Prominenten Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht geäußert zu haben. Am Ende eines großen Aufruhrs trat Bartsch nicht mehr als Bundesgeschäftsführer an.
Verbindlich und sachorientiert
Lafontaine ist aber nur einer der Genossen, die Bartsch etwas übelnehmen. Seine Parteigeschichte ist lang - 1977 trat der geborene Stralsunder in die SED ein, studierte in Berlin, promovierte in Moskau. Ab 1991 war er erst Bundesschatzmeister, dann Geschäftsführer der PDS.
Im Jahr 2002 war er in Personalunion Wahlkampfleiter und einer der vier Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl. Als die PDS an der Fünfprozenthürde scheiterte, wurde sein Rücktritt gefordert. Bartsch wurde Geschäftsführer beim Neuen Deutschland, 2005 erneut Bundesgeschäftsführer der Partei.
So viel kluges und praktisch veranlagtes Führungspersonal hat die Partei nicht. Bartsch gilt als Realo, der verbindlich und sachorientiert arbeitet. Er scheint sich nun als flügelübergreifender Kandidat aufstellen zu wollen. Mit einer Bewerbung träte er in direkte Konkurrenz zu Amtsinhaberin Lötzsch, die nach dem Erfurter Parteitag Ende Oktober überraschend ihre Wiederkandidatur bekannt gab. Wenn jetzt noch ein paar Leute auf die Idee kämen, sich zu bewerben - Richtungskampf wie Führungschaos wären komplett.
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