: Fücks zeigt Ampel einen Vogel
■ SPD,FDP: Schutzgebiet Hemelinger Marsch revidieren / Bonn: Geht nicht
Ob Bremen es will oder nicht – in einem Teil der als Gewerbegebiet geplanten Hemelinger Marsch werden in Zukunft Vögel brüten und keine Lkw brummen. Das ist am Tag nach der Meldung vom Überraschungscoup der Umweltbehörde jedenfalls die Meinung aus Bonn. Mit der Anmeldung eines Teils des geplanten Gewerbegebietes in der Hemelinger Marsch als Vogelschutzgebiet der Europäischen Kommission hat die grüne Umweltbehörde Fakten geschaffen (siehe taz vom 1.2.) – und die sind kaum revidierbar, auch wenn Senat, Regierungsfraktionen und Handelskammer dies fordern.
Die CDU-Opposition quittierte den Alleingang von Umweltsenator Fücks dann auch prompt mit einem „Ultimatum“: Bürgermeister Wedemeier solle Fücks aus dem Senat kippen, sonst werde die CDU in der Februarsitzung der Bürgerschaft einen Mißtrauensantrag gegen den Umweltsenator einbringen. Fücks habe mit seinem Veto zur Frage der Hemelinger Marsch im Juni 1993 die restlichen Senatsmitgleider getäuscht. „Wir glauben, daß die Chancen für ein solches Mißtrauensvotum besser sind als beim letzen Mal, als er mit einer Stimme abgelehnt wurde“, sagte CDU-Spitzenmann Nölle. „Wir hoffen, daß auch die aus SPD und FDP mit uns stimmen, die mit dem Senat unzufrieden sind.“
Senat und Ampelfraktionen betrieben gestern Schadensbegrenzung. Die Grünen hielten die Ausweisung des Gebietes für sinnvoll, kritisierten jedoch den Fücksschen „Formfehler“. FDP und SPD forderten ebenso wie die Handelskammer die Rücknahme der Anmeldung des 10 Hektar großen Streifens als Vogelschutzgebiet. Bürgermeister Wedemeier erklärte: „Eine solche Anmeldung widerspricht den eindeutigen Beschlüssen des Senats. Ich werde dafür sorgen, daß diese Anmeldung rückgängig gemacht wird.“
Da allerdings hat sich Klaus Wedemeier wahrscheinlich zuviel vorgenommen. Denn der zuständige Fachreferent im Bundesumweltministerium in Bonn meint ungerührt: „Angemeldet ist angemeldet“. Das Land habe die Verpflichtung,„jegliche Verschlechterung der ökologischen Bedingungen zu verhindern“. Rückgängig könne eine solche Anmeldung nur gemacht werden, wenn sich die Bedingungen von Natur aus so änderten, daß der ökologische Wert verschwinde. „Auf keinen Fall ist es erlaubt, dort ein Gewerbegebiet zu bauen“, hieß es. Auch Wedemeiers Aussage, die Anmeldung des Gebietes durch „irgendeinen Mitarbeiter vorbei an Recht und Gesetz“ sei „nicht legitimiert “ findet in Bonn kein Gehör: „Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten“, heißt es . Und auch die Bremer Umweltbehörde bestätigt, daß bei der Anmeldung alles seinen normalen Behördengang genommen hat – die Unterlagen waren vom damaligen Staatsrat Uwe Lahl abgezeichnet.
„Unter dem Strich ist die Anmeldung gerechtfertigt. Sie hätte aber dem Senat mitgeteilt werden müssen“, meint Umweltsenator Fücks. „Diesen Fehler nehme ich auf meine Kappe“. Ob er von seinem Staatsrat von der Anmeldung erfahren hat, will er allerdings nicht sagen: „Das ist ein interner Vorgang.“ Für Fücks ist die Aufregung nur ein „Sturm im Wasserglas“: Schließlich erlaube die angesprochene „Flora-Fauna-Richtlinie“, aus zwingenden Grünen auch Eingriffe in die ökologischen Schutzzonen. Eine Bebauung des Gebietes, das nur in einer abgeschwächten Kategorie angemeldet sei, stehe daher nicht vor höheren Hürden als die einer Umweltverträglichkeitsprüfung und Ausgleichsmaßnahmen nach deutschem Recht.
Auch da widerspricht allerdings das Bonner Umweltministerium: „Es ist unstrittig, daß die Hemelinger Marsch unter der höchsten Schutzkategorie angemeldet und von Brüssel akzeptiert wurde“, heißt es. Eingriffe in ein solches Gebiet seien zwar grundsätzlich möglich, doch mit sehr hohen Hürden versehen: Da reiche nicht „irgendein Grund“, sondern es müsse belegt werden, daß ein solcher Eingriff aus übergeordneten Gründen zwingend notwendig und vor allem ohne jede denkbare Alternative sei. „Keine Alternative heißt wirklich keine denkbar andere Möglichkeit“, lautet die Fachmeinung aus Bonn. „Kostengründe spielen da keine Rolle.“ bpo
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