Fête de la Musique: Immer den Klängen nach

In Berlin gibt es oft Konzerte auf der Straße. Was die Fête de la Musique an Energie erzeugt, ist dann aber doch bemerkenswert. Ein Streifzug.

Wie in Berlin, so in Genf: Die Fête holt die Menschen auf die Straßen.

Im Wasch Cafe in Friedrichshain, einem Café mit integriertem Waschsalon, spielen die Bands anlässlich der Fête de la Musique drinnen. Das Publikum versammelt sich auf der Straße vor dem geöffneten Fenster. Das ergibt eine interessante Mischung aus Freiluft- und Kneipenkonzert. Die Band, die gerade auftritt, trägt zwar alberne Verkleidungen, spielt aber eine Art von Achtziger-Jahre-Synthiepunk, die man beinahe hip nennen könnte. Keine Ahnung, wie die Band heißt, die echt nicht schlecht ist, aber eigentlich ist das auch egal.

Gleich um die Ecke, auf der offiziellen Fête-de-la-Musique-Bühne des Rosi’s geht alles etwas professioneller zu. Es gibt einen offiziellen „Bühnenfahrplan“. Dem zufolge müssen die drei Jungs, die sich in ihren Lederjacken abmühen, ein wenig wie Mando Diao zu klingen, Cold Acid sein, auch wenn der Bandname ein Versprechen ist, das nicht ansatzweise eingelöst wird. Gleich nebenan, auf dem RAW-Gelände: noch mehr Bühnen. Massig Leute sind unterwegs, es ist zwar erst später Nachmittag, aber das Fête-de-la-Musique-Treiben vermischt sich bereits mit der Erwartung des Deutschlandspiels.

In Berlin kann man bekanntlich das ganze Jahr über an den unterschiedlichsten Örtlichkeiten auf musikalische Freiluftüberraschungen stoßen, aber was so eine Fête de la Musique an Energie erzeugen kann, ist dann doch bemerkenswert. Unter den U-Bahn-Gleisen in der Nähe des Schlesischen Tors etwa spielt eine kuriose Combo eine Mischung aus Punkrock und Blasmusik; durchaus originell, manche tanzen ekstatisch zu der Musik, die eigentlich überhaupt nicht zum Tanzen einlädt.

Das Regelwerk der Fête de la Musique besagt, dass man am 21. Juni bis 22 Uhr ohne elektrische Verstärkung musizieren darf. Aber wir befinden uns nun mal in einer Stadt des Techno, und da zählt ein DJ mehr als ein Akustikgitarrenklampfer. Überall finden sich entsprechend kleine Soundsysteme und hier und da legt ein DJ noch so richtig mit Platten auf, was ja auch schon wieder fast wie Handwerk aussieht und damit der Grundidee der Fête, nämlich öffentlich zu musizieren, zumindest nahe kommt.

Man kann, getragen von Klängen, sich bestens treiben lassen durch die Stadt. Immer der Musik hinterher, das funktioniert wirklich an diesem Tag. Irgendwo in Treptow: Vor dem Café Provinz hockt ein Typ, seine Gitarre liegt neben ihm. Man ist also auf der richtigen Spur. Und da hört man es auch schon scheppern und lärmen und landet im Cabuwazi-Kinderzirkus. Überall Kinder, Muttis, Vatis, Kuchen, Bratwürste, und im Zelt spielen Kolumbus Kill gerade ihren Led-Zeppelin-Gedächtnis-Rock. Das ist besser als jedes Familienfest der SPD. Hier sollte man eigentlich eine Weile bleiben, zumal gleich die Band Hasenscheiße auftreten wird, die es schon zu etwas gebracht zu haben scheint. Immerhin verkauft sie Band-T-Shirts und Tragetaschen am eigenen Merchandisingstand. Motto der Band: „Für ein paar Köttel mehr“.

Egal wo man zwischen Friedrichshain und Neukölln unterwegs ist: Fast nirgends stößt man auf Deutschlandfahnen. Komisch eigentlich, auf ARD und ZDF bekommt man den Fußballpatriotismus eingepeitscht, aber die Leute hier wollen einfach nicht Schwarz-Rot-Gold zeigen.

Dass Fußball-WM ist, vergisst man aber trotzdem nicht. Auch deshalb, weil in Kreuzberg die meisten Fête-de-la-Musique-Bühnen während des Spiels zwischen Iran und Argentinien erst mal Pause machen. Dabei kann Iran gegen Argentinien doch eigentlich nur langweilig sein. Gut, dass sich jetzt zwischen Bühnen und Public-Viewing-Stationen auch noch der Kreuzberger CSD durch die Oranienstraße zwängt. Conchita Wurst gilt in der Szene inzwischen als „Santa Conchita“, erfährt man. „We don’t want to marry. We just want to fuck: Germany + The Police“ hält man hier offensichtlich für einen sinnigen Slogan.

Dann regnet es, den Auftritt von Element of Crime auf der Fête-de-la-Musique-Bühne vor dem Kuchenkaiser hat man jetzt eh verpasst, was soll’s. Es regnet immer stärker, und auf dem Flachbildschirm im nächsten Dönerladen sieht man, dass nach mehr als 80 Minuten Messi immer noch kein Tor geschossen hat. Verrückt.

Unter der Oberbaumbrücke steht später eine Harfinistin und spielt. Der ist die WM wahrscheinlich egal und die Fête de la Musique vielleicht auch. Die würde heute möglicherweise auch einfach so hier stehen.

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