Frust bei Pillepalleräten

■ Mehr Macht für die Beiräte, lautet eine aktuelle SPD-Forderung / Interner Streit: Ist das alles „pillepalle“? / Eine Koalitionsarbeitsgruppe soll die Frage klären

Unmut bei den Stadtteilpolitikern: Die Beiräte sind frustriert. Fühlen sich abgebügelt von der Verwaltung und der großen Politik, wollen mehr Mitbestimmung. Der Verdruss ist parteiübergreifend, reicht von CDU bis PDS. Als „Watschenmann vor Ort“ fühlt sich Rolf Surhoff (CDU) in Walle. „Kasperltheater“, sagt der Waller Grüne Hans Dinger zur Wirkung von Beiratsbeschlüssen. Und vom „Rennen gegen Gummiwände“ berichtet PDS-Mann Frank Eisermann aus Mitte.

„Viele Beiräte sind kurz davor, ihr Mandat hinzuschmeißen“, sagt Frank Schmitz vom SPD-Unterbezirksvorstand Bremen-Stadt. Er muss es wissen, denn gemeinsam mit Renate Möbius ist er über ein Jahr lang durch die Stadtteilgremien getingelt, hat mit Beiräten ein Konzept erarbeitet. Das Ganze mündete jetzt in einen Beschluss des SPD-Unterbezirks mit zwei wesentlichen Forderungen: Die Bürgerschaft soll Kompetenzen an die Beiräte abgeben, und bei Konflikten zwischen Beirats- und Verwaltungsmeinungen soll „Einvernehmen“ erzielt werden. „Das heißt, die Fachbehörden sind gezwungen sich mit den Beiräten in Verbindung zu setzen“, erklärt Kurt Schuster (SPD), Sprecher des Gesamtbeirats, des Koordinierungsgremiums der 22 Bremer Beiräte. Wenn das Einvernehmen nicht gelingt, soll sich die zuständige Deputation der Sache annehmen, dann die Bürgerschaft. Mit dem Effekt, so Schmitz, dass „die Abgeordneten vor Ort Farbe bekennen müssen“.

Über das Recht auf Einvernehmen gibt es offenbar überparteilichen Konsens an der Stadtteilbasis: „Die Zusammenarbeit würde besser werden“, sagt der Schwachhausener CDU-Mann Bernd Huse. Auch er sitzt im Gesamtbeirat und beobachtet: „Frust ist da.“ Bei allen Einsparungen in den Ortsämtern habe man sich ruhig verhalten, aber jetzt sei ein Limit erreicht, mehr Mitbestimmung müsse her: „Wenn das jetzt nicht kommt, dann wird es ernst.“ Etwa 360 Leute seien in die ehrenamtliche Beiratsarbeit eingebunden, hat Huse errechnet, „gute Parteigänger“, das sollten die oben „sich auch mal zu Gemüte führen“.

Ein Beirat darf bisher vor allem beraten und Stellung nehmen, hat einen eigenen, winzigen Mitteltopf, entscheidet nur über Stadtteilprojekte und über „verkehrslenkende, -beschränkende und -beruhigende Maßnahmen“ im Stadtteil, so schreibt es das Beiratsgesetz vor. Letztere Befugnis sei bereits ein realisiertes Recht auf Einvernehmen mit dem Bauressort, erklärt Huse, „und das funktioniert“.

Bis Ende des Jahres erwarten die GenossInnen von ihren FunktionärInnen die Umsetzung. Ende des Jahres will auch eine Koalitionsarbeitsgruppe zum Thema Beiratswesen Ergebnisse vorweisen. Derzeit lasse sich aber noch gar nichts sagen, so Leiter Helmut Pflugradt (CDU). Schließlich gibt es noch eine Arbeitsgruppe, nämlich innerhalb der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Im Prinzip sei man hier auf dem Diskussionsstand des Unterbezirks, erklärt Fraktionsgeschäftsführerin Karin Röpke. Das mögen manche vom Unterbezirksvorstand kaum glauben. „Teile der Fraktion sind deutlich von Arroganz gekennzeichnet“, ärgert sich Frank Schmitz, und besonders ärgert ihn, dass Karin Röpke das im Unterbezirk mühsam erarbeitete Ergebnis „pillepalle“ genannt habe. Das sei Missachtung der Basis. „Pillepalle“, erwidert Röpke, gehöre nicht zu ihrem Wortschatz, so etwas habe sie nicht gesagt. Froh sei sie über die Vorlage der Basis, die die Fraktion nun „abarbeiten“ könne. So sei's halt mit Erfolg, sagt dazu Schmitz, „da schwenkt man dann drauf ein.“

Versöhnliches zum Schluss: Renate Möbius war ganz gerührt angesichts der Einstimmigkeit, mit der der SPD-Parteitag den Beschluss angenommen hat. Ihr Fazit: „Es lohnt sich doch noch, Politik zu machen.“ sgi