: „Früher hatte ich 180 Quadratmeter“
■ Im Lichtmeß: Ingrid Molnar hat in ihrem Dokumentarfilm Self Storage New Yorker porträtiert, die sich – aus unterschiedlichsten Gründen – einen Speicher mieten müssen
In New York City gibt es min-destens zwei Sorten von Obdachlosen. Die einen haben eigentlich ein Obdach: Es ist die Kanalisation. Die anderen haben keins und leben auf der Straße. Letztere teilen sich noch einmal in zwei Klassen: Die einen verscherbeln ihr ganzes Zeug, das sie aus früheren Wohnungen zurückbehalten haben, die anderen können sich noch einen kleinen Lagerraum leisten, in dem sie, wenn nicht sich selbst, so doch wenigstens ihre Sachen unterbringen. Falls dort genug Platz ist, können sie dort, auch wenn es verboten ist, hin und wieder mal ein paar Stunden schlafen.
Der einstündige Dokumentarfilm Self Storage der in Hamburg lebenden Österreicherin Ingrid Molnar, den das Lichtmeß-Kino am Donnerstag zeigt, porträtiert sehr unterschiedliche Leute mit oder ohne Wohnung, die sich in New York einen Speicher gemietet haben. Denn anders als im Hamburger Mietrecht gehört ein Abstellraum dort nicht unbedingt zur Wohnung. Die Self Storages, die es dort in jedem Viertel gibt, kosten zwischen 75 und 150 Dollar im Monat. Kein kleiner Betrag also muss von denjenigen aufgebracht werden, die angesichts der knappen Wohnraumsituation ihren Plunder und andere wertvolle Dinge dort unterbringen wollen.
Da gibt es neben den etwas wohlhabenderen Obdachlosen auch Couch Surfers, Leute, die bei Freunden schlafen, sei es, weil sie ihre Wohnung verloren haben oder weil ein Umzug schon bevorsteht. Molnar interviewt KünstlerInnen, denen das Atelier gekündigt wurde, und die daher Unmassen von angefertigten Arbeiten in einem Self Storage unterbringen müssen. Da gibt es Geschäftsleute und andere Besserverdienende, die eines Ortswechsels wegen vorübergehend ihren gesamten Hausstand dort unterbringen. Manch einer nutzt das Self Storage zur Lagerung von Importartikeln, mit denen er einen kleinen Handel betreibt, oft dient der kleine Lagerraum auch noch als Verkaufsraum. Und wer mit der Miete für den containerartigen Lagerraum in Rückstand kommt, muss mit der Zwangsversteigerung seiner Sachen rechnen, ein Fall, der so häufig vorkommt, dass die Vermieter sich eigene Versteigerer leisten.
Self Storage ist ein Film über die Deregulierung des Wohnungsmarktes, das Geschäft mit der Wohnungsnot, aber auch über die Folgen steigender Mobilität. Ingrid Molnar hat in Self Storages mehr als nur „Einzelschicksale“ oder „unterschiedliche Lebensentwürfe“ festgehalten. Der ganz und gar nicht betuliche Dokumentarfilm fällt keine Entscheidung zwischen der Freiwilligkeit und dem Zwang solcher „Entwürfe“. Und in der Menge der gezeigten Porträts scheint es auch, als sei den Beschreibungen und Interpretationen, die die Betroffenen selbst von ihrer Situation zeichnen, immer nur bis zu einem bestimmten Punkt zu trauen.
Im Vorprogramm zeigt das Lichtmeß Die Liebenden vom Hotel von Osman. Idil Üner, bekannt als Schauspielerin aus unter anderem Kurz und schmerzlos und Im Juli, erzählt in dem 14-Minüter die Geschichte eines aus Deutschland kommenden Pärchens, das sich in Istanbul den Traum erfüllt, in einem edlen Hotel mit Blick auf den Bosporus abzusteigen. Doch die beiden haben versäumt, den notwendigen „Ehepass“ zu zeigen. In den Hauptrollen des zweisprachigen 35mm-Films sind Idil Üner und Fatih Akin zu sehen. xml
Donnerstag, 20 Uhr, Lichtmeß
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