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Frist für Waffenruhe in Syrien hat begonnenAssad lässt weiter schießen

Die Truppen des syrischen Präsidenten Assad gehen weiter mit Gewalt gegen Oppositionelle vor. Für die Umsetzung der Waffenruhe gibt es keine Anzeichen.

05.04.2012: Syrer tragen die Särge von getöteten Regimegegnern durch die Straßen eines Vororts von Damaskus. Bild: dapd

BEIRUT dpa/rtr | In Syrien gibt es nach Angaben von Oppositionellen keine Anzeichen für die Umsetzung der vereinbarten Waffenruhe. Panzer und Truppen seien immer noch da, sagte ein Aktivist aus der Provinz Homs der Nachrichtenagentur dpa am Dienstagmorgen.

Die 48-Stunden-Frist für die Umsetzung der Waffenruhe hatte um 06.00 Uhr am Dienstagmorgen (05.00 Uhr MESZ) begonnen. Beide Seiten müssen die Kämpfe nach dem vom UN-Sicherheitsrat abgesegneten Plan bis zum Donnerstag 06.00 Uhr Ortszeit eingestellt haben. Dem Vorschlag des Sondergesandten der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga, Kofi Annan, hatten sowohl das Regime von Baschar al-Assad als auch die Opposition zugestimmt.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte am Montag noch einmal alle Seiten zur Einhaltung der Waffenruhe aufgefordert. „Der vom Sicherheitsrat vorgegebene Zeitplan für die Beendigung der Gewalt muss bedingungslos von allen eingehalten werden“, erklärte Ban nach UN-Angaben.

Das türkische Außenministerium erklärte, syrische Truppen hätten am Montag über die Grenze hinweg in das Flüchtlingslager Kilis gefeuert. Dabei seien dort insgesamt zwei Syrer und zwei Türken verletzt worden. An der Grenze seien zudem 21 Syrer verletzt worden, von denen zwei starben. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat den Vorfall als „klare Grenzverletzung“ durch Syrien verurteilt. Die Türkei werde bei ihrer Antwort von den Möglichkeiten des Völkerrechts Gebrauch machen.

Der Beschuss des Flüchtlingslagers ist international scharf verurteilt worden. Der UN-Generalsekretär zeigte sich „alarmiert von den Berichten anhaltender Gewalt und Menschenrechtsverletzungen“. Die Sprecherin im US-Außenministerium, Victoria Nuland, sagte am Montag, dies bedeute, dass das Regime in Damaskus nicht gewillt sei, die versprochene Waffenruhe einzuhalten.

Falsche Interpretation

Am Sonntag forderte das syrische Außenministerium aber weitere Garantien des UN-Sondergesandten. Demnach sollten auch die als „bewaffnete Terror-Gruppen“ bezeichneten Oppositionskräfte die Gewalt in jeder Form beenden. Es sei eine falsche Interpretation, dass Syrien bestätigt habe, seine Truppen am 10. April aus Städten und deren Umgebung abzuziehen, hieß es weiter.

Syriens Führung sucht weiter die Unterstützung des Verbündeten Russland. Außenminister Walid al-Muallim trifft am Dienstag in Moskau seinen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow. Auch Russland hatte Assad zuletzt eindringlich aufgefordert, seine Soldaten am 10. April aus den Städten abzuziehen. Beide Seiten müssten die Gewalt bis zum 12. April einstellen, hieß es in Moskau. China und Russland haben im UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegen ihren Verbündeten Assad bislang stets verhindert.

Am Montag und in der folgenden Nacht war die Gewalt in Syrien unvermindert weitergegangen. Die Opposition berichtete am Montag von landesweit mehr als 150 Toten. Bei dem seit 13 Monaten andauernden Konflikt kamen nach UN-Schätzungen schon mehr als 9.000 Menschen ums Leben.

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7 Kommentare

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  • NZ
    Nein zum Terror

    Die sog. FSA ist eine reine Terrororganisation, unterstützt durch die Petro-Dollar der islamistischen Diktatoren aus Qatar und Saudi-Arabien. Auch der İslamist-Light, Erdogan, übt seine Rolle als imperialer Neo-Osmane. İsrael, USA und die Mitlaufenden Europaer unterstützen alles was İran schwaecht um die Vorherrschaft im ölreichen Orient sicherzustellen. İsrael hat dank des Westen, auch Deutschlands, Atombomben und besetzt und bedroht die Nachbarn im Orient. Stop: İch bin kein Antisemit, sondern ein Semit!

    Es herrscht eine erschreckende Gleichschaltung der Medien im Westen, in Deutschland und sogar die TAZ macht leider voll mit, denn es wird wahrscheinlich ja bezahlt. Aus einer freien Berichterstattung wird bezahlte Kriegseinstimmung und pure Propaganda. Mut machen kluge und mutige Denker des Landes. Danke Günther Grass. Nein Westerwelle.

  • BG
    Bernd Goldammer

    TAZ unterschlägt Lesekommentare

  • A
    Ant-iPod

    Ich denke, wir stehen am Scheideweg:

    Entweder, wir erhöhen den Druck auf das Regime exponential und mit wirtschaftlichen, sowie politischen Sanktionen - um die Regierung Assad zu substantiellen Verhandlungen zu bringen, da sie politische Reformen verweigert - oder aber, wir arbeiten weiterhin auf eine militärische Eskalation hin.

     

    Ob letztere nun durch SA und Katar finanziert und die FSA selbst durchgeführt wird, oder "der Westen" militärisch eingreift - in beiden Fällen wird es zahllose unschuldige Opfer geben.

     

    Keiner aber sollte sich der Illusion hingeben, wir Europäer oder der Westen hätten hier unsere Möglichkeiten ausgeschöpft oder wir hätten keinen Einfluss auf die anderen genannten und ungenannten Akteure.

    Es ist unsere Politik, welche die jetzige Situation maßgeblich mit herbeigeführt hat. Unsere noch immer sehr halbherzigen Sanktionen gegen das Regime, unsere "Einreiseverbote" welche das Regime mit "Ausreiseverboten" beantwortet hat sind der blanke Hohn. Wir lassen die demokratisch gesinnten Kräfte in Syrien im Stich - so ist die simple Wahrheit.

    Stattdessen lassen wir SA und Katar ihr regionales Spiel spielen - quasi in unserem Auftrag.

     

    Solange Assad merkt, dass wir es nicht ernst meinen - wir die wir politischen und ökonomischen Druck glaubhaft ausübern können, den Russland nicht kompensieren kann und China nicht kompensieren will - wird es keinen politischen Neuanfang in Syrien geben. Die Gräben werden tiefer, die Opferzahlen steigen und der Weg zur Versöhnung der politischen Gruppen in Syrien immer unwegsamer.

     

    Haben wir hier keine Verantwortung?

     

    Was mich an der Medienlandschaft stört ist, dass wir immer und immer wieder seit Monaten mehr oder weniger informiert darüber berichten, wie "schlimm" die Situation in Syrien sei - aber wo bitte schön ist die kritische Betrachtungsweise über das Handeln der EU und Deutschlands?

    Wo bleiben konkrete Forderungen und Ausformulierungen von möglichen Eskalationsschritten, welche unsere Regierung in unserem Namen unternehmen soll?

     

    Natürlich liegt die Verantwortung für die Änderungen in Syrien in erster Linie bei den Syrern und was immer wir auch tun, so muss die letztendliche Lösung durch Syrer gestaltet und gelebt werden und nicht durch Ursupatoren bzw. deren Marionetten.

     

    De facto tun wir aber nichts, um einen diplomatischen Prozess in Syrien in Gang zu setzen und fördern stattdessen die Eskalation des konflikts. Das ist weder nachhaltige Außenpolitik, noch im Sinne unserer politischen Werte.

     

    Hier sehe ich große Versäumnisse auch der Medien, die dies nicht Stakkatoartig immer und immer wieder öffentlichkeitswirksam einfordern - anstatt sich auf die Dokumentation von Gräueltaten (ganz gleich von wem) zu reduzieren.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Die TAZ schießt uns jetzt auf einen neuen Waffengang gegen Syrien ein. Man stelle sich vor: Bis an die Zähne Bewaffnete würden in Berlin oder Hamburg schwere Kampfhandlungen beginnen und sich dabei in dicht besiedelten Wohngebieten verschanzen. Wenn sie dann noch all ihr Geld und alle Waffen aus China oder Russland erhalten würden und von Massenmedien aller Staaten der Welt zu revolutionären Helden verklärt würden, dann wäre man wohl in der gleichen Situation in der sich die jetztige syrische Regierung befindet. Was seit geraumer Zeit in der arabischen Welt vor sich geht, ist Krieg ohne Haager Landkriegsordnung und ohne Genfer Konvention zum Schutz der Zivilbevölkerung. Seit Nürnberg muss man ein solches Vorgehen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnen. Folgt man diesen Werten, dann müssten auch die Kriegstreiber der TAZ auf die Anklagebank.

  • D
    Dirk

    Enttäuschend. Eigentlich gehörte die taz noch zu den wenigen Medien, die nicht ganz in das vorgegebene Agitprop eingestimmt haben. Nun erwähnt sie nicht mal die Übergriffe der Aufständischen letzte Nacht (was sogar das ehemalige Nachrichtenmagazin "Spiegel" tut).

    Ceterum censeo: Sollten die von den saudischen Demokratie- und Menschenrechthassern unterstützten "Freiheitskämpfer" siegen, wird Syrien die Hölle auf Erden werden. Die Demokraten und Säkularen unter den Aufständischen, die es auch geben mag, würden bald an den Kränen der Radikal-Islamisten baumeln. Und die Journalisten werden sich natürlich nicht für ihre Berichterstattung schämen.

  • RZ
    Ralf Zimmermann

    Tja,das Syrische Volk hat halt Pech, daß der Westen am wirtschaflichem Tropf von Russland und China hängt.Und seltene Erden und andere Begehrlichkeiten die ein Eingreifen lohnend machen würden,sind ja auch nicht gerade üppig vorhanden.Der UN-Sicherheitsrat ist ein zahnloser Tiger ohne Krallen,und damit überflüssig.

  • K
    Kaufmann

    ich habe die Nase gestrichen voll, dass die USA weiterhin Weltpolizist spielt, um ihre Interessen auch mit Gewalt durchzusetzen. Nach den Forderungen der Weltgemeinschaft hätte nach der Resolution und dem Resolutionsbruch in Libyen es dringend einer Aufarbeitung bedurft, bevor die Trommler wieder zu den Waffen rufen. Syrien hat diese Form der Repression schon immer verfolgt und dabei auch stets auf die Hilfe der USA und Russland setzen können. Denn bei aufstrebendem Islamismus und den rebellischen Kurden waren sie für die Großmächte ein Stabilisationsfaktor mit ihrem säkularisierten System. Wer sich die Verhältnisse im Libanon anschaut, sollte sich darüber im Klaren sein, was passieren kann, wenn man die Kräfte entfesselt. Die Weltgemeinschaft hat den arabischen Frühling gepriesen, doch tatsächlich die Menschen in die Steinzeit gebombt. Das Öl und Gas wird in Libyen und dem Irak zu Bereicherung einiger weniger verhökert.

     

    Und die TAZ stimmt in den Salmon ein. Mir graut´s.