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Friedensplan Kofi Annans für SyrienDer zweifelhafte Waffenstillstand

Die Rebellen erklären den Plan von Kofi Annan für gescheitert, Truppen scheinen weiter mit Panzern präsent zu sein. Die Weltgemeinschaft steht vor der Frage: Was kommt jetzt?

A Syrian refugee girl looks out from behind the fence at Yayladagi refugee camp in Hatay province near the Turkish-Syrian Bild: reuters

BERLIN taz | Panzer ziehen über die Hauptstraße des Damaszener Vorortes Duma, Soldaten spähen über den Lauf ihrer Gewehre auf die Häuser ringsum. So zeigt es ein Amateurvideo, das angeblich am Dienstagmorgen aufgenommen worden ist. „Wir haben die ganze Nacht bis zum frühen Morgen Schüsse und Explosionen gehört“, sagt Aktivist Abu Mohammed. „Sie haben mit Maschinengewehren und Panzern um sich gefeuert, einige Häuser sind zerstört worden.“

Eigentlich sollte die Armee um sechs Uhr früh mit dem Abzug aus den Städten begonnen haben. So sieht es der Friedensplan des UN-Sondergesandten Kofi Annan vor. Doch bis zum Nachmittag gab es kaum Anzeichen dafür, dass Präsident Baschar al-Assad sich an diese Abmachungen halten wird.

Sowohl das Regime in Damaskus als auch die Opposition hatten dem Sechs-Punkte-Plan zugestimmt. Der Zeitplan sieht vor, dass bis Donnerstag um sechs Uhr früh eine Waffenruhe in Kraft tritt, an die sich beide Seiten halten müssen.

Der Kofi-Annan-Plan

Der Plan sieht sechs Punkte vor:

1. Das syrische Regime verpflichtet sich zu einer Zusammenarbeit mit Annan, um auf die legitimen Anliegen des syrischen Volks einzugehen.

2. Die Regierung stimmt einem Ende der Kämpfe, einem sofortigen Stopp der Truppenbewegungen und des Einsatzes schwerer Waffen in bevölkerten Gebieten zu. Ebenso soll die Opposition dazu verpflichtet werden.

3. Täglich soll eine zweistündige „humanitäre Pause“ eingelegt werden, um Hilfsmittel in die betroffenen Gebiete zu bringen und Verletzte zu evakuieren.

4. „Willkürlich festgenommene Personen“ sollen schneller und in größerer Zahl freigelassen werden und eine Liste mit Orten soll veröffentlicht werden, an denen die Betroffenen festgehalten werden.

5. Journalisten sollen sich im ganzen Land frei bewegen können.

6. Die syrische Regierung soll die Vereinigungsfreiheit und das Demonstrationsrecht respektieren.

Syriens Regierung teilte mit, der Truppenabzug habe gemäß der Vereinbarungen begonnen. „Wir haben bereits Truppen und Armee-Einheiten aus mehreren syrischen Provinzen abgezogen“, sagte Außenminister Walid al-Muallem nach Gesprächen mit seinem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow in Moskau vor Journalisten. Nach Angaben der russischen Agentur Interfax habe Syrien auch Beweise für seine Behauptungen vorgelegt. Allerdings kritisierte Lawrow, Damaskus könne bei der Umsetzung des Friedensplans „aktiver und entschlossener“ vorgehen.

Der Friedensplan gilt als Versuch der internationalen Gemeinschaft, den syrischen Konflikt in letzter Minute mit diplomatischen Mitteln zu lösen. Aktivisten in Syrien dagegen werten die Zusagen des Regimes als Manöver, um mehr Zeit für die Niederschlagung der Proteste zu gewinnen. In den vergangenen Tagen haben die Truppen ihre Angriffe noch einmal drastisch intensiviert. Allein am Montag sollen landesweit rund 100 Menschen getötet worden sein.

Artillerie in Stellung gebracht

Die USA veröffentlichten am Freitag Satellitenbilder, die zeigen, dass Syrien seine Artillerie rund um die Städte Homs und Sabadani in Stellung gebracht hat. Zudem sollen Truppen aus einigen Orten in andere verschoben worden sein. „Dies ist nicht die Verringerung der Sicherheitsoperationen der syrischen Regierung, die für das Gelingen von Annans Initiative nötig ist“, schrieb Robert Ford, der abgezogene US-Botschafter in Damaskus, auf seiner Facebook-Seite.

Zwar scheinen die Angriffe in den Protesthochburgen am Dienstag etwas nachgelassen zu haben. Doch Aktivisten in verschiedenen Städten berichten, dass die Armee nach wie vor in den Wohngebieten präsent ist. „Die Panzer sind noch auf der Straße, sie haben sogar noch Verstärkung geschickt“, sagt Amer, ein Aktivist aus der ostsyrischen Stadt Deir al-Sor. Vor drei Tagen sei ein Team des regimetreuen Senders al-Dunia in die Stadt gekommen: „Sie filmten vier Panzer und etwa ein Dutzend Militärfahrzeuge, die das Zentrum verlassen. Doch als die Kameraleute weg waren, kehrten sie wieder an ihre Positionen zurück.“

Doch auch die Rebellen kämpften weiter. In der vergangenen Woche hätten die Kämpfer der Freien Syrischen Armee (FSA) vier Offiziere in Deir al-Sor getötet. „Das ist die neue Strategie der FSA“, sagt Amer. „Sie vermeiden direkte Gefechte und versuchen stattdessen, höherrangige Militärs mit gezielten Anschlägen auszuschalten.“

In mehreren Städten soll das Militär am Dienstag seine Offensive fortgesetzt haben. In Homs schoss die Armee nach Angaben von Aktivisten mit Raketen und Mörsern auf Wohnviertel. Um ein Dorf in der nördlichen Provinz Aleppo sollen sich Truppen gesammelt und das Feuer eröffnet haben. „Die Scharfschützen stehen nach wie vor auf den Dächern; die Stadt ist noch immer voller Artillerie“, sagt Manhal, ein Aktivist aus der Stadt Hama. Bis Montagnacht habe die Armee mehrere Wohnsiedlungen bombardiert; jetzt zögen die Truppen von Haus zu Haus, um wahllos Anwohner festzunehmen. „Der Friedensplan“, sagt Manhal, „ist schon jetzt gescheitert.“

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7 Kommentare

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  • M
    manfred (60)

    Etwas fällt auf: Zum Thema Naher Osten nur noch Berichte, nein, eher Gerüchte, über Syrien, im Inland viel Geschrei über Grass (aber nicht über Inhalte). Ich kann mich des Verdachtes nicht erwehren, daß hier die israelischen und us-amerikanischen Vorbereitungen zum Sturm auf den Iran durch bewußt inszenierte Ablenkungsmanöver verschleiert werden sollen. Fragt sich nur: Wird Israel einen Stellvertreterkrieg für die USA führen, sind diese zur israelischen Marionette degeneriert oder gibt es einen Gleichklang? Das ist doch wohl das eigentliche Nahost-Thena dieser Zeit.

  • P
    Pit

    Ich höre hier immer von "Rebellen". Diese Soldaten sind Mitglieder einer regulären ausländischen Invasionsarmee - mit ein Paar AlibiSyriern für die "freie" Presse.

  • TS
    Thomas Sch.

    Das Problem wird von den üblichen Journalisten ja überhaupt nicht verstanden: In Syrien haben wir Alawiten (im Ggstz. zu den türk. Alewiten), eine christliche Minderheit, Drusen, Schiiten, Sunniten, Einflüsse aus dem Libanon, Jordanien und dem Iran sind auch zu beachten und Einiges mehr noch. Der Durchschnittsjournalist weiß das nicht, versteht das auch nicht und interessiert sich auch nicht dafür, weil es einfacher ist die übliche Mediensau durch TV-Dorf zu jagen und von irgendwelchen Demokratisierungsbefürwortern zu faseln, die es vereinzelt auch dort gibt, aber für die Gemengelage in Syrien überhaupt nicht wichtig sind.

  • RD
    Richard Detzer

    Bitte erwähnen das Wort Weltgemeinschaft in keinem einzigen Artikel mehr.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Überall erzählt man, dass die sogenannten syrischen Rebellen von der Türkei und Qatar ausgehalten werden. Ist da was dran? Wie ist das völkerrechtlich, dürfen sich Ausländer in Massenquartieren großer Städte verschanzen und von da aus militärische Operationen unternehmen? Sie gefährden ja dadurch die Zivilbevölkerung. Besonders dann, wenn die UNO wieder internationale Flugverbotszonen einrichtet. In Libyen kosteten sie 60.000 Menschenleben, weil sich weder die Streitkräfte der USA noch die der NATO an die UN-Vorgaben gehalten haben.

  • J
    j-c-opitz

    zu einem waffenstillstand gehören 2.die"friedliche"und "demokratische"opposition besteht auf einen einseitigebn waffenstillstand durch assad schießt aber selber weiter.mehrere"unbewaffnete"flüchtlinge erschießen von der türkei aus 6 syrische grenzsoldaten und wundern sich das sie auf türkischer seite beschossen werden.mir ist schon klar das assad ein schlächter ist,ich werde aber bestimmt nicht für die oppositionellen schlächter parteiergreifen.die sogenannte friedliche,demokratische und unbewaffnete opposition aus islamischen fundamentalisten und alkaida kämpfern hat selbst schon etliche öffentliche hinrichtungen an gefangenen soldaten durchgeführt.

    solange die mainstream medien einschließlich der taz

    die rebellenpropagande ungeprüft übernehemen sind sie ein teil der kampfhandlungen

  • T
    tageslicht

    "Ein Amateurvideo zeigt"

     

    Wie sieht es eigentlich aus mit journalistischer Sorgfaltspflicht?

    Auf tagesschau.de wird zumeist wenigstens darauf hingewiesen, dass sich die Echtheit solcher Videos schlecht überprüfen lässt, Sie hängen Ihren gesamten Artikel daran auf. Als ob es das erste Mal wäre, dass die sogenannte "Freie Syrische Armee" ihre eigenen Handlungen als jene des Regimes darzustellen.

     

    Im Krieg ist die Wahrheit immer das erste Opfer. Ihre kindliche Naivität, Gut gegen Böse, David gegen Goliath ist ja schon fast rührend. Das macht die ganze Geschichte aber nicht zwangsläufig wahr.

     

    Welches Interesse hätte denn das syrische Regime, gegen die Waffenruhe zu verstoßen, nachdem sie zugestimmt haben? Im zweifelsfall doch einen internationalen Einsatz wie in Libyen riskieren? Die einzige Option, die in meinen Augen, zumindest auf den ersten Blick, irgendwie Sinn machen würde, ist dass das Regime auf Zeit spielt, in der Hoffnung, bis zu ersten Reaktionen auf den sogenannten Bruch des Waffenstillstandes den Widerstand zerschlagen zu haben. Klingt das für Sie realistisch? Nein? Muss es ja auch nicht, weil Sie lieber an Märchen glauben. Was wäre denn, wenn dieser irre Plan aufgeht? Syrien wäre nach wie vor isoliert. Es macht einfach keinen Sinn. Aber es ist ja immer leichter, wenn man es sich so schön einfach macht.