Fridays for Future in Russland: Die Einsamkeit des Klimakämpfers

Klimaschützer haben es in Russland schwer. Viele halten die Erderwärmung für eine US-Erfindung. Trotzdem gibt's auch hier Fridays for Future.

Eine Hand tippt auf einem Smartphone. Auf dessen Bildschirm steht „Fridays for future“

Fridays-for-Future-Demos sind in Russland alles andere als üblich Foto: Unsplash/Markus Spiske

MOSKAU taz | Arschak Makitschian kramt im Rucksack nach der ausklappbaren Pappe mit dem passenden Klimaspruch für die Ein-Mann-Mahnwache auf dem Jause-Tor-Platz unterhalb des Obelisken zu Ehren der „Grenzschützer des Vaterlandes“.

Es ist Freitag und Makitschian gehört zu einer kleinen Gruppe junger Leute, die in Moskau den Protest von Fridays for Future (FFF) hochhalten. Mal sind sie zu dritt, mal zu viert. Heute hantiert Makitschian allein mit der handgemalten Spruchpappe: „Globale Erwärmung ist Hunger, Krieg und Tod.“

Die „Mahnwache“ hat ihn an den Rand des Zentrums verschlagen. Nur wenige Wochen hatte er unbehelligt im Moskauer Zentrum auf dem Puschkin-Platz demonstrieren können. Tausende gingen vorbei, nahmen Notiz – oder auch nicht, meint der Absolvent des Moskauer Konservatoriums. Nach einem Zeitungsinterview wurde es ungemütlicher. Polizei tauchte auf und stellte Fragen, erzählt Makitschian. „Wer mich bezahlt, wollten sie wissen. Sie waren überzeugt, nur die Ukraine könnte hinter dem Protest stehen.“ Dass Bürger auf eigene Faust eine Idee verfolgen, passe noch nicht in die Vorstellung der Polizisten.

Daraufhin wich er auf den Platz an der Jause aus, einem Nebenfluss der Moskwa. Der Klimakampf verläuft in Russland zäh. Landesweit gingen am internationalen Aktionstag Ende Mai zwischen Kaliningrad und Wladiwostok rund 100 Demonstranten auf die Straße. Makitschian lässt sich nicht entmutigen. Motivieren sei etwas schwieriger in Russland, sagt er lächelnd. Am vergangenen Freitag twitterte er fröhlich: „Die 20. Woche!“

Ein protestierender Mann mit einem Pappschild in der Hand

Arschak Makitschian Foto: Donath

Noch im letzten Oktober hatte Makitschian es sich nicht vorstellen können, der Schwedin Greta Thunberg nachzufolgen und in Russland die Arbeit aufzunehmen. Im Februar auf einer Gedenkveranstaltung für den 2015 ermordeten Oppositionellen Boris Nemzow wurde das anders. „Das hat in mir etwas verändert. Entweder jetzt oder nie“, sagt er.

Als er mit FFF anfing, gab es noch keine Mitstreiter, auch Öffentlichkeit war noch nicht hergestellt. Inzwischen gebe es auf Instagram eine Gruppe von Interessierten, sagt er.

Im März beantragten Moskauer Klimaschützer eine größere Demonstration. Sie wurde sogar genehmigt. Im Gaid-Park, der russischen Version der Londoner Hyde-Park-Corner. Das innerstädtische Erholungsgebiet Sokolniki gleicht einem bewaldeten Freilaufgehege. Mit Detektoren wurden die Besucher auf eventuell mitgebrachte Waffen überprüft. Vierzig Aktivisten nahmen an der Demo teil. Damals fiel Makitschians Entschluss, Mahnwachen abzuhalten. Die müssen bei Behörden nicht angemeldet werden.

Festnahmen sind wahrscheinlich

Noch immer ist ihm jedoch mulmig zumute, wenn er zu einer Wache aufbricht. Wird man ihn diesmal festnehmen? Freimütig gesteht er, gegen solche Ängste müsse er sich immer wieder wehren. Sonst sei ihm aber noch nichts passiert.

Neulich wurde er von einem Polizisten abgeführt, nach hektischen Telefonaten auf der Wache ohne Begründung jedoch wieder freigelassen. Auch am vergangenen Samstag wurde er festgenommen – im Zusammenhang mit den Protesten der Opposition. „Mehr als tausend Leute wurden abgeführt“, schrieb er auf Twitter. „Manche wegen friedlicher Proteste, manche, weil sie zur falschen Zeit in der Stadt herumliefen.“ Kurz danach gab er mit zerrissenem Hemd Entwarnung: „Ich bin frei, alles gut.“

Trotz allem schaffte er zwischenzeitlich am Moskauer Konservatorium die Abschlussprüfung. Bis September hat er noch Bedenkzeit, wie es weitergehen soll. Den Wunsch, in Berlin weiterzustudieren, schob er erst einmal auf. „Wer kümmert sich sonst ums Klima in Russland?“, fragt er. Wegen der Konzertreisen könnte es auch in einem Orchester schwierig werden. Denn Makitschian verzichtete auf Flugreisen. Da bliebe dann noch der Job eines Geigenlehrers, „schlecht bezahlt“ allerdings, meint er.

Globale Erwärmung wird in den Medien nicht behandelt

An der Jause stehen plötzlich auch wieder Polizisten vor ihm. Drei in Uniform, einer in Zivil. Sie kontrollieren die Papiere und stellen die üblichen Fragen. Ein paar Minuten dauert es, bis sie wieder abziehen.

Wer sich fürs Klima einsetzt, hat in Russland noch einen undankbaren Job. „Viele wissen nicht, was hinter der Erwärmung steckt. Sie leugnen sie oder behaupten, es fehle an Beweisen. Manche halten die Erwärmung für eine US-Erfindung“, sagt der Klimaschützer.

Globale Erwärmung wird auch in staatlichen Medien nicht behandelt. Es sei denn, sie machen sich über westliche Bedenken lustig.

Auch die Opposition meidet das Thema. „Oppositionelle Medien ziehen es vor zu schweigen“, so Makitschian. Die unabhängige russische Agentur Meduza berichtete neulich über den Geiger – aus Lettland. Der Bericht über die Klimaproteste stand in der englischen Ausgabe.

„Hinweis: In einer früheren Version hieß es, Makitschian kritisiere, dass auch Greenpeace in Moskau zum Thema Erderwärmung schweige. Das ist nicht der Fall. Er sagt vielmehr, dass viele Oppositionelle zum Thema schweigen, Greenpeace aber nicht.“

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