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French Connection Von Mathias Bröckers

Hollands Drogenpolitik ist der französischen Regierung ein Dorn im Auge. Durch ihre „lasche Gesetzgebung“, so Premier Chirac, seien die Niederlande für die Drogenprobleme in seinem Land verantwortlich; der „Drogenstaat“ Holland, assistiert ein Senator, sei für ganz Europa das „Einfallstor“ illegaler Drogen. Seit über einem halben Jahr verweigert Frankreich die Aufhebung der europäischen Grenzkontrollen nach dem Schengener Abkommen – zuerst wegen der Terroranschläge islamischer Fundamentalisten, jetzt wegen der niederländischen Drogenpolitik.

Die wird jedoch seit einem Vierteljahrhundert praktiziert und war auch bei der Unterzeichnung der Grenzabkommen allen Vertragspartnern bekannt. Nicht ohne Stolz haben Hollands Gesundheitspolitiker stets auf die Erfolge ihrer Politik verwiesen und deutlich gemacht, daß sie keinen Grund sehen, auf eine harte Prohibitionsstrategie zurückzufallen. Die Parlamentsbeschlüsse über die Schließung eines Teils der Coffeeshops und die Reduktion der erlaubte Einkaufsmenge Haschisch oder Gras von 30 auf 5 Gramm waren denn auch eher Schaufensterpolitik für die EU- und US-Drogenkrieger als eine innenpolitische Wende. Selbst konservative Abgeordnete halten eine 5-Gramm-Regel für absurd, „dann gehen die Leute eben sechsmal rein und wieder raus“; und auch liberale Politiker finden eine Regulierung der mittlerweile über 2.000 Coffeeshops richtig, denn je stärker deren Konkurrenz, desto größer die Gefahr, daß unter dem Ladentisch auch harte Drogen gehandelt würden. Der nebenbei gefaßte Beschluß, künftig den Anbau für den Eigenbedarf zu erlauben, zeigt, daß sich Holland den nüchternen Blick auf Cannabis auch unter Druck nicht vernebeln läßt.

Frankreich hat unterdessen den Konflikt weiter zugespitzt und seine Grenzen nach Deutschland und Spanien geöffnet, nicht aber die in die Beneluxländer. Angeblich wegen der Drogenimporte. Aber woher kommen denn seit Jahrzehnten über 80 Prozent des Stoffs, der von Madrid bis Helsinki die Joints glühen läßt? Aus Marokko, dessen „Einfallstor“ traditionsgemäß Frankreich heißt. Wie die International Herald Tribune im November letzten Jahres berichtete, hat Chirac nach seinem Amtsantritt versucht, Druck auf König Hassan auszuüben, der jedoch cool auf die fundamentalistische Opposition im Lande verwies: Wenn Frankreich wolle, daß auch in Marroko die Mullahs ans Ruder kommen, müsse man dem Königreich nur weiter seinen Hauptexportartikel streitig machen. Dieser Einwand zeigte offenbar Wirkung – Marokko erhielt 20 Millionen EU-Beihilfe zur „Drogenbekämpfung“ und produziert heiter weiter.

Im Sommer 95 registrierten spanische Pollenflug-Meßstationen den größten und gehaltreichsten Cannabisanbau seit Jahren – die French Connection läuft also auf Hochtouren. Und Holland kommt als Sündenbock gerade recht. Nicht nur, weil es Chirac in Sachen Moruroa am heftigsten in die Suppe gespuckt hat. Die Niederlande sind auch das einzige EU- Land, das dem Marroko-Hasch seinen Rang als Schwarzmarktführer abgelaufen hat: 75 Prozent der Verbraucher greifen zu heimischem „Nederwiet“. Der Name einer der beliebtesten Sorten für die Outdoor-Saison ist Programm: „Hollands Hope“.

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