Fremdenfeindlicher Angriff im Internat: Überfall auf französische Azubis

Im Berufsbildungszentrum Schleswig wurde eine französische Austauschgruppe angegriffen. Dabei fielen fremdenfeindliche Parolen. Schule reagiert mit Kundgebung.

Wirkt gar nicht wie ein Tatort: das Berufsbildungszentrum Schleswig. Bild: Screenshot / BBZ Schleswig

HAMBURG taz | In der Nacht zum Freitag sind Jugendliche einer französischen Austausch-Auszubildendengruppe in Schleswig überfallen worden. Die unbekannten Täter hatten sich Zugang zum Internatsgebäude des Berufsbildungszentrums in Schleswig verschafft, wo die Austauschgruppe untergebracht war. In Zimmern und Fluren schlugen sie auf Jugendliche ein und skandierten fremdenfeindliche Parolen. „Wir sind erschrocken und entsetzt“, sagt Schulleiter Hans Hermann Henken.

An die zehn Personen waren um Mitternacht in das Gebäude eingedrungen. Der Angriff auf die 17- bis 18-Jährigen Auszubildenden erfolgte überraschend und habe „nur wenige Minuten“ gedauert, wie Schulleiter Henken von den Betroffenen erfahren hat. Die Angreifer verletzten drei der vierzehn Jugendlichen leicht. Einem sei ins Gesicht getreten worden, die anderen erlitten Prellungen. Eine Brille ging bei dem Überfall zu Bruch, ein Handy verschwand. Die Polizei Flensburg hat Ermittlungen aufgenommen. „Der genaue Tathintergrund ist noch unklar“, sagte ein Sprecher. Einen persönlichen Hintergrund der Tat wolle die Polizei nicht von vorneherein ausschließen.

Die Schule habe den Jugendlichen psychologische Unterstützung angeboten, sagt Schulleiter Henken, diese hätten das Angebot allerdings abgelehnt. Der Betreuer der Jugendgruppe, Yoann Picard, sagte, der Schock säße tief. Vorzeitig abfahren wolle aber keiner. Seit einer Woche war die Austauschgruppe in dem Internat untergebracht. In dieser und der nächsten Woche wird sie in Betrieben und Gastfamilien sein.

Gesunken ist laut polizeilicher Statistik die Zahl rechtsextremer Gewalttaten in Schleswig-Holstein.

37 Vorfälle zählte die Polizei im Jahr 2010, 27 im Jahr 2011.

Opferberatungen weisen allerdings auf die große Dunkelziffer hin.

Nicht alle Betroffenen gehen zur Polizei, außerdem blendet diese bei Übergriffen gelegentlich den politischen Hintergrund aus.

Laut Verfassungsschutz in Kiel deuten "einzelne Verlautbarungen und Handlungen" auf ein hohes Gewaltpotenzial in der schleswig-holsteinischen Szene.

Am Montagvormittag versammelten sich 1.500 Schüler und Lehrer zu einer Solidaritätskundgebung auf dem Schulhof. Schulleitung und Schülervertretung hatten zu der Aktion aufgerufen, um über den Überfall zu informieren – und um sich zu entschuldigen. Schülersprecherin Jule Wirries sagte: „Es ist beschämend.“ Die Kieler Bildungs- und Wissenschaftsministerin Waltraud Wende (parteilos) war zur Kundgebung angereist. Die Feigheit und die Heimtücke der Täter seien „erschreckend“, sagte sie.

Laut Schulleitung hat an der Schule noch nie einen solchen Vorfall gegeben. Einmal hätten sie „einschlägige Schmierereien“ entdeckt, sagt Schulleiter Henken. Doch das seien „bloß Jungs aus der Nachbarschaft“ gewesen, die „einfach Unsinn gemacht“ hätten.

Den Angriff will die Schule nun zum Anlass nehmen, sich gegen Rechtsextremismus zu engagieren. Schülervertretung und Lehrerschaft wollen, dass das Berufsbildungszentrum eine „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ wird. „Wir hoffen, so pädagogisch nachhaltig wirken zu können“, sagt Schulleiter Henken. Als erster Schritt muss eine Erklärung gegen „Diskriminierung, insbesondere Rassismus“ verabschiedet werden, die mindestens 70 Prozent aller Schüler, Lehrer und Mitarbeiter unterschreiben müssen. Außerdem muss die Schule Projekte zum Thema anbieten.

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