Freischreiber vergeben Fairnesspreis: Warum schickst du mich in die Hölle?
Freie Journalisten vergeben einen Preis für die fairste Redaktion – und einen für die unfairste. Neon und Spiegel Online fühlen sich ungerecht behandelt.
Bei Neon, Für Sie und Spiegel Online werden freie Journalisten besonders fies behandelt. Das zumindest ergab eine Mitgliederbefragung des Verbandes "Freischreiber", in dem rund 400 freie Journalisten organisiert sind. Im November vergeben die Freischreiber erstmals den "Himmel- und Hölle-Preis" – an Redaktionen, die fair (Himmel) beziehungsweise unfair (Hölle) mit ihren freien Autoren umgehen.
Mit dem Preis wollen die Freischreiber ihren "Code of Fairness" in den Redaktionen durchsetzen. In zehn Punkten werden dort Kriterien für eine gute Zusammenarbeit zwischen den Freien und ihren Auftraggebern vorgeschlagen, zum Beispiel dass Journalisten keine PR machen oder den Freien ihre vorgeschlagenen Themen nicht geklaut werden.
Die Nominierten für die Kategorie "Himmel", die Magazine P.M., BrandEins und Enorm, standen bereits fest. Am Dienstag wurden die Kandidaten für die "Hölle" genannt.
Doppelt fassungsloser Chefredakteur
Die Chefredaktionen der Für Sie war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Michael Ebert, Chefredakteur der Neon, ist geschockt, dass seine Redaktion einer der Kandidaten für die "Hölle" sei. "Wie mit Neon umgegangen wird, ist sehr ärgerlich und grenzt an Rufmord", sagte Ebert. Neon sei stolz auf den fairen Umgang mit freien Mitarbeitern. Klagen hätte es nicht gegeben. "Ich bin doppelt fassungslos: Über den Vorwurf an sich ebenso wie darüber, dass uns keine Möglichkeit gegeben wurde oder wird, Stellung dazu zu nehmen."
Ebert finde den Code of Fairness der Freischreiber richtig und unterstütze die Forderungen. Erbost ist er dennoch: "Wir benennen doch auch keine angeblichen Spesenbetrüger auf unserer Webseite und nominieren dann drei freie Mitarbeiter für einen Preis, ohne Begründungen oder Belege abzugeben."
Auch Mathias Müller von Blumencron, Spiegel-Chefredakteur, kritisiert das Vorgehen der Freischreiber. In den vergangen Jahren hätte der Spiegel eine Vielzahl freier Mitarbeiter beschäftigt und sei sich seiner Verantwortung bewusst. „Deshalb sind wir dabei, gerechtfertigte Kritik in neue Vertragsbedingungen einfließen zu lassen", sagte Blumencron der taz.
Spiegel ist bereit zu Änderungen
Im August habe der Verband dem Spiegel ein Schreiben zugeschickt, in dem Änderungen der Honorierung für freie Journalisten gefordert wurden. Auch der Umgang mit den Nutzungsrechten an Texten wurde bemängelt. Laut Blumencron sind entsprechende Änderungen bereits auf den Weg gebracht worden. Das sei auch den Freischreibern bekannt gewesen. „Uns mitten in diesem Prozess einem fragwürdigen Abstimmungsverfahren auszusetzen, kann ich nicht als fair und schon gar nicht als konstruktiv ansehen."
Kai Schächtele, Vorsitzender der Freischreiber, sagt, es gehe nicht darum, "Ärger zu provozieren, sondern eine Debatte auszulösen und so Verbesserungen einzuleiten".
Die Freischreiber hatten ihre Mitglieder aufgerufen, dem Verband ihre Erfahrungen mit Redaktionen mitzuteilen. "Wir hatten insgesamt rund 150 Vorschläge für beide Kategorien", sagt Jurymitglied Jakob Vicari. Häuften sich Beschwerden oder Lob, hätte die Jury bei weiteren Mitarbeitern nachgehakt, um zu sehen, ob sich die Vorwürfe bestätigten.
Am 19. Oktober stimmen die Freischreiber über die Preisträger ab. Jedes Mitglied bekommt dazu eine Stimmkarte per Post, unabhängig davon, ob er bei den entsprechenenden Medien gearbeitet hat oder nicht. Am 11. November soll dann der Preis an die fairste und die fieseste Redaktion verliehen werden.
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