Freilassungen im Ukraine-Konflikt: Zwei Krimtataren kommen frei
Mit Unterstützung des türkischen Präsidenten Erdoğan wurden zwei Aktivisten aus russischer Haft entlassen. Jetzt sind sie in Kiew.
Über hundert Journalisten, Krimtataren und Regierungsvertreter empfingen die beiden Freigelassenen auf dem Flughafen und wurden wenig später von Präsident Petro Poroschenko in Empfang genommen. Emine Dzeppar, stellvertretende Ministerin für Informationspolitik und gleichzeitig ranghöchste Krimtatarin in der ukrainischen Regierung, eröffnete mit „Salam Aleikum“ die Pressekonferenz.
Mit kämpferischer Stimme berichtet Ex-Häftling Chijgoz, dass er es immer noch nicht fassen könne, frei zu sein. Er habe zwar auf seine vorzeitige Freilassung gehofft, aber dass es so schnell gehen würde, damit hatte er nicht gerechnet. Am Mittwoch sei er von vermummten Uniformierten aus dem Gefängnis geholt und in einem Wagen ohne Kennzeichen zum Flughafen der südrussischen Stadt Anapa gebracht worden. „Ich habe die vermummten Faschisten wiedererkannt. Das waren die, die mich verhaftet hatten.“ Erst im Luftraum habe er begriffen, dass er in die Türkei fliege.
Chijgoz, der zu acht Jahren Haft für die Organisation von Protestveranstaltungen gegen das Referendum über einen Anschluss der Krim an Russland 2014 verurteilt worden war, hatte noch beim Abflug damit gerechnet, dass es nun wohl in ein Arbeitslager in Sibirien gehen werde.
Kein Gnadengesuch an Putin
Der 60-jährige Ilmi Umerow, wie Chijgoz einer der stellvertretenden Vorsitzenden der im April 2016 in Russland verbotenen „Versammlung des krimtatarischen Volkes“, war Ende September von einem russischen Gericht wegen der „Verletzung der territorialen Integrität der Russischen Föderation“ zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Er stand unter Hausarrest und rechnete jederzeit mit einer Aufforderung zum Haftantritt. Beide erklärten, dass sie kein Gnadengesuch an Putin gestellt hätten.
Präsident Poroschenko, der die beiden freigelassenen Führer der Krimtataren noch am selben Nachmittag empfangen hatte, bedankte sich bei dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und allen, die an der Freilassung der Krimtataren mitgewirkt hatten. Auch Umerow und Chijgoz führten ihre Freilassung in erster Linie auf die Bemühungen von Erdoğan, „einem der starken Führer der Turkwelt“, so Chijgoz, zurück.
Einen Tag zuvor waren Umerow und Chijgoz in der Türkei von Erdoğan in dessen Residenz in Ankara empfangen worden. Dabei hatten sie ihm für seine Bemühungen zu ihrer Freilassung gedankt und ihn gebeten, sich auch für mehrere Dutzend weitere auf der Krim verurteilte Krimtataren, Ukrainer und Angehörige anderer Nationalitäten einzusetzen.
Erdoğan habe den Wunsch nach weiteren Treffen geäußert und gleichzeitig der „Versammlung des krimtatarischen Volkes“ Erfolg bei ihrer Arbeit gewünscht. Seit Jahren pflegen die „Versammlung“ und der türkische Präsident enge Beziehungen. Mustafa Dschemilew, Krimtataren-Beauftragter des ukrainischen Präsidenten und langjähriger ehemaliger Vorsitzender der „Medschlis des krimtatarischen Volkes“, berichtete auf der Pressekonferenz auf dem Flughafen von mehreren Treffen, die er mit Erdoğan seit 2014 gehabt habe. Dieser, so Dschemilew, unterstütze das Anliegen der Krimtataren. „Ihr seid doch Verwandte. Und natürlich werden wir für euch alles tun, was wir tun können“ zitierte Dschemilew den türkischen Präsidenten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos