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Freilassung in RuandaGnade für Paul Rusesabagina

Nach mehrjähriger Haft kommt der bekannteste Kritiker von Ruandas Präsident Kagame frei. Er war als Führer einer Terrorgruppe verurteilt.

Das waren noch Zeiten: Paul Rusesabagina bei George Bush im Weißen Haus, 2005 Foto: Eric Draper / ap

Berlin taz | Ruandas profiliertester Regierungskritiker ist frei. Paul Rusesabagina, der wegen Terrorismus in Haft saß, wurde am Freitag entlassen und darf zurück in die USA zu seiner Familie.

International, vor allem in den USA, ist Rusesabagina als „Held“ bekannt, der während des Völkermordes an den Tutsi 1994 zahlreiche Menschen gerettet habe, indem er ihnen in seinem Hotel „Mille Collines“ in der Hauptstadt Kigali Unterschlupf bot. Es war das reale Vorbild für den Spielfilms „Hotel Rwanda“ aus dem Jahr 2004.

Doch seitdem hat sich Rusesabagina mit Ruandas Regierung unter Präsident Paul Kagame überworfen, dessen Ruandische Patriotische Front (RPF) 1994 den Völkermord beendete und seitdem das Land regiert. Rusesabagina ging nach Belgien und in die USA und arbeitete mit radikalen Oppositionellen zusammen, die aus dem Ausland bewaffnete Exilmilizen flüchtiger Völkermordtäter in der Demokratischen Republik Kongo unterstützen, etwa die FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas). Er gründete eine eigene Exilpartei, PDR-Ihu­mure (Partei für Demokratie), und führte diese im Jahr 2017 zusammen mit FDLR-Dissidenten in die von ihm selbst geleitete Koalition MRCD (Ruandische Bewegung für Demokratischen Wandel). Deren bewaffneter Arm FLN (Nationale Befreiungsfront) verübte 2018 eine Reihe von Terroranschlägen in Ruanda.

2019 kam MCRD-Vizepräsident und FLN-Sprecher Callixte Nsabimana, genannt „Sankara“, in Ruanda vor Gericht. Rusesabagina wurde 2020 ebenfalls festgenommen: Er bestieg in Dubai ein Flugzeug nach Burundi, das stattdessen in Ruanda landetet – und kam sofort in Haft. Seine Familie im belgischen Exil verurteilte die „Entführung“ und international machten Menschenrechtsorganisationen für ihn mobil. Er wurde dabei ausschließlich als Verfolgungsopfer präsentiert.

Dabei ist Rusesabaginas Rolle als MRCD-Chef dokumentiert. Vor Gericht gab er seine Tätigkeiten zu, darunter Geldüberweisungen an FLN-Führer „Sankara“. Er wurde zu 25 Jahren Haft verurteilt, die in der zweiten Instanz auf 15 Jahre reduziert wurden, während Sankara zunächst 20 und dann ebenfalls 15 Jahre Haft erhielt.

Nun sind beide freigekommen, offenbar auf Druck aus den USA hin. Ruandas Justizministerium veröffentlichte am Wochenende ein Schreiben Rusesabaginas, datiert auf den 14. Oktober 2022, in dem er Präsident Kagame um Gnade bittet. „Ich möchte mein Bedauern für jede Verbindung aussprechen, die meine Arbeit mit der MRCD mit Gewaltakten der FLN zu tun gehabt haben könnte“, formuliert der 68-Jährige darin und erklärt sein „Bedauern für den Schmerz, den die Aktionen der FLN angerichtet haben könnten“. Er werde den Rest seines Lebens in den USA verbringen, „in stiller Reflexion“.

In einem eigenen Schreiben, ebenfalls vom Justizministerium veröffentlicht, schwört Sankara der Gewalt ab, entschuldigt sich für die Handlungen der FLN und bittet darum, „in die Gesellschaft zurückzukehren“. Nach offiziellen Angaben sprach Kagame daraufhin die Begnadigung für beide aus. Ruandas Justizministerium betonte, die Begnadigungen bezögen sich allein auf die Strafe; die Schuldsprüche blieben gültig.

Ruandas Regierung bedankte sich für die „konstruktive Rolle der US-Regierung“ und die Vermittlung durch Katar. Rusesabagina wurde an den Botschafter der Golfmonarchie in Kigali übergeben. US-Außenminister Anthony Blinken betonte, politischer Wandel „in Ruanda und auf der Welt“ dürfe nur „mit friedlichen Mitteln“ erreicht werden. Am Sonntag blieb unklar, wann und wohin Rusesabagina ausreisen werde.

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