Frei.Wild in Aurich: „Komm rüber, trau dich“
Die umstrittene Band „Frei.Wild“ spielt im ostfriesischen Aurich. Daran stoßen sich ein paar hundert Demonstranten, was wiederum die Fans provoziert.
AURICH taz | Diese Kapelle polarisiert: Mehrere hundert Menschen haben am Freitagabend gegen einen Auftritt der umstrittenen Band „Frei.Wild“ demonstriert – mit Slogans wie „Nationalisten den Sound abdrehen“. Der Vorwurf: Die Südtiroler mit dem rebellischen Image verbreiten in ihren Liedern nationalistisches Gedankengut – was wiederum ihre Fans und Konzertbesucher nicht unwidersprochen lassen wollten.
So kommt es vor der Sparkassen-Arena, in der die Band vor rund 3.000 Zuschauern auftrat, zu verbalen Auseinandersetzungen: „Linke Spinner, Deutschenhasser verpisst euch“ oder auch „Komm rüber, trau dich“, brüllen zumeist schwarz gekleidete Frei.Wild-Sympathisanten über die Polizeikräfte hinweg in Richtung der Demonstranten.
Diese, viele Jüngere ganz in Schwarz, aber auch Ältere im Outdoor-Chic, sind dem Aufruf eines Bündnisses aus SPD und Grünen, Linkspartei und Gewerkschaftsbund gefolgt. Motto des Protestes: „Rechtspopulismus das Geweih stutzen“ – eine Anspielung auf das Geweih, als das im Bandnamen das W gestaltet ist. Auf einem Transparent stand: „Das ist die Band der Vollidioten“, eine Variation des Frei.Wild-Titels „Das Land der Vollidioten“. Darin heißt es: „Das ist das Land der Vollidioten, die denken, Heimatliebe ist gleich Staatsverrat.“
„Mit ihren Texten trifft die Gruppen den Nerv der rechten Szene“, sagt Blanka Seelgen, Kreistagsabgeordnete der Linken und Anmelderin der Demonstration. „Wir wissen, dass die Gruppe sich in einer juristischen Grauzone bewegt“, so Gunnar Ott, Sprecher des Grünen-Ortsverbandes Aurich, im Vorfeld. „Wir haben den Eindruck, dass sie ihren Ausländerstatus als Vehikel benutzt, um sich von rechten Gruppierungen feiern zu lassen.“ Über entsprechende Themen zumindest singt Frei.Wild-Frontmann Philipp Burger, einst Mitglied der rechtsextremen „Kaiserjäger“, auch in anderen Stücken: über „Heimat“, die „Volk, Tradition und Sprache“ bedeute, beispielsweise.
Gleichwohl betont ein Redner bei der Demonstration: Frei.Wild seien keine „Neonazi-Band“, ließen aber bewusst viel „Interpretationsspielraum“. Kaum aber ist die Demonstration auf dem Marktplatz gestartet, ist aus einer Seitengasse „Antifa, ha, ha, ha“ zu hören: ein Spruch, traditionell in der rechtsextremen Szene zu Hause, hier gerufen von Fans der erklärtermaßen gegen jeden Extremismus eingestellten Band.
Etwas später sagt der Gast einer Eckkneipe: „Ob eine Demonstration nötig sei, weiß ich nicht. Das ist ja keine richtige Nazi-Band. Aber wenn ich drüber nachdenke, sind einige Texte sehr nationalistisch.“ Dann winkt er jemandem im Demonstrationszug freundlich zu. In der Kleinstadt kennt man sich halt – was, auf andere Weise, auch die Organisatoren des Protests zu spüren bekamen, der abends mit einem Konzert im Jugendzentrum enden sollte: „Wir wurden bepöbelt“, erzählt einer, „und bedroht.“
Je näher die Demo der Konzerthalle kommt, desto mehr Fans, durchweg in Frei.Wild-T-Shirts gekleidet, beinahe stets Bier in den Händen, rufen über die Straße hinweg, pöbeln in Richtung des Umzugs, gerne begleitet von Drohgebärden. „Die Demonstration halte ich für übertrieben“ sagte einer aus der Frei.Wild-Crew, der mit Videokamera mitläuft, um die Demonstration für eine DVD zu filmen. Kritik aber „ja, die kann ich an einzelnen Texten nachvollziehen“, sagt er – allerdings seien andere Bands doch viel sexistischer. Gefragt nach Sänger Burger und dessen fragwürdiger Vergangenheit, sagt er: „Jeder verdient eine zweite Chance.“
Pfefferspray und Schlagstock setzt die Polizei später vor dem Jugendzentrum ein: Wegen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot greifen Beamte fünf der Demonstranten heraus – „unnötig und unerfreulich“, sagt einer der Organisatoren. Zuvor war ein Konzertbesucher festgenommen worden: Er hatte vor der Sparkassen-Arena Pyrotechnik gezündet.
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