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Free Fight-Wettkampf in BerlinGermans erster Kampf

Es gilt als die härteste Kampfsportart der Welt. „Mixed Martial Arts“ verlangt den Kämpfern alles ab. Warum sich ein junger Mann das antun will? Nun: weil er es mag.

German Kapustin, 25, steckt beim Training ein. Bild: Anja Weber

25. April, 18.30, IMAG Berlin: German Kapustin hat ein Ziel. Der Weg dorthin führt über das Gym in den ehemaligen Osramhöfen in Berlin-Wedding. German ist 25 Jahre alt, geboren in Moskau, seit seinem dritten Lebensjahr in Deutschland. In zweieinhalb Wochen wird German kämpfen, das erste Mal. Während die anderen im Gym Übungen machen, muss er sparren. Alle drei Minuten bekommt er einen frischen Partner. German kommt aus dem Standkampf, Boxen und Kickboxen sind seine Stärken. Aber wenn er am 12. Mai in den Drahtkäfig steigt, der in der Universal Hall in Berlin-Moabit aufgebaut wird, wird er nach MMA-Regeln kämpfen.

MMA steht für Mixed Martial Arts, wörtlich: gemischte Kampfkünste, in Deutschland besser bekannt als „Free Fight“. Der Kampf kann schnell vom Stand an den Boden wechseln. Deshalb trainiert German schon seit geraumer Zeit Ringen, Grappling, Brazilian Jiu-Jitsu. Dennoch: Im Stand fühlt er sich sicherer, deshalb ist sein Ziel im Training, die Versuche seiner Gegner, ihn an den Boden zu bringen, abzuwehren. Immer gelingt ihm das nicht. Nach eineinhalb Stunden Training ist German am Ende. Darum geht es: den Moment hinauszögern, an dem ein Kämpfer das Gefühl hat, er kann nicht mehr. 17 Tage bis zum Kampf.

30. April, IMAG Berlin: Montags trainiert German Grappling und Brazilian Jiu Jitsu, dienstags Kondition, Mittwochs Ringen, donnerstags Bodenkampf im MMA, freitags Kickboxen und Cardio. Jeden Morgen, vor der Arbeit, geht er laufen. Noch vor ein paar Jahren wog German 120 Kilo, Sport kannte er nur aus dem Fernsehen. Warum ausgerechnet Kampfsport? „Es ist die ursprünglichste Form, sich zu messen. Alles, was du brauchst, hast du schon: Arme und Beine. Du brauchst kein Tor, keinen Ball, kein Netz, nichts. Ich mag das.“ 12 Tage bis zum Kampf.

Mixed Martial Arts

Mixed Martial Arts, zu deutsch: gemischte Kampfkünste, ist eine Kombination aus allen Kampfsportarten. Elemente kommen aus dem Boxen sowie Kick- und Thaiboxen, Taek Wan-Do, Ringen, Brazilian Jiu-Jitsu, Ringen, Judo und anderen Kampfsportarten. MMA-Wettkämpfe folgen einem Regelwerk, das abgestuft nach dem Leistungsstand der Kämpfer und unterteilt in Profi- und Amateurbereich unterschiedlich viele Techniken zulässt.

Grundsätzlich gilt aber: Der Kampf wird sowohl im Stand als auch am Boden geführt, und auch am Boden sind Schlag- und mit Einschränkungen Tritttechniken erlaubt. In der Regel geht ein Kampf, der im Ring oder im meist achteckigen Käfig (Cage) geführt wird, über 3 x 5 Minuten, Titelkämpfe über 5 x 5 Minuten. Der Kampf endet vorzeitig, wenn ein Kämpfer sich nicht mehr intelligent verteidigen kann, KO geht oder durch Abklopfen („tappen“) seine Aufgabe signalisiert, etwa, wenn er sich aus einem Hebel- oder Würgegriff nicht befreien kann.

Der Sport hat in den letzten Jahren auf der ganzen Welt immer mehr Anhänger gefunden. Führende Wettkampf-Organisation ist die US-amerikanische „Ultimate Fighting Championship“ (UFC). In Deutschland gibt es eine Vielzahl zumeist kleinerer Kampfveranstaltungen, die sich allerdings häufig Auflagen ausgesetzt sehen, etwa, dass die Zuschauer mindestens 18 Jahre alt sein müssen. Immer wieder auch fordern Politiker und Medien ein Verbot von MMA, weil sie diesen Vollkontaktsport für zu brutal halten. Doch die Verletzungsrate, neben gelegentlichen Cuts, wie sie auch beim Boxen vorkommen, ist gering, und die Kämpfer pflegen untereinander in der Regel einen freundschaftlichen und fairen Umgang.

3. Mai, IMAG Berlin: Von seinem Gegner weiß German das: Oliver Döhring kommt auch aus Berlin, er hat schon einen Kampf bestritten und gewonnen. Es gibt ein Video von ihm im Netz. Aber, sagt Germans Trainer Frank Burczynski, einen richtigen „Gameplan“ macht man bei Debütkämpfen sowieso nicht. German, sagt er, habe ihn beim ersten kleinen Wettkampf, an dem er vor ein paar Monaten teilnahm, überrascht: „Die meisten Amateure bringen im Kampf vielleicht 50 bis 60 Prozent ihrer Trainingsleistung, Profis 90 bis 95 Prozent. German lag bei gut 70 Prozent.“ Eine Idee vom Kampf? „Er muss keine Angst vor dem Bodenkampf haben – aber er soll, wenn es irgendwie geht, immer versuchen, schnell wieder aufzustehen.“ Angst? „Nö“, sagt Burczynski, „sonst würde ich ihn noch nicht kämpfen lassen.“ Neun Tage.

9. Mai, IMAG Berlin: Der Gegner hat gewechselt. Döhring hat doch schon ein paar Kämpfe mehr – und alle gewonnen. Er wäre für Germans ersten Kampf zu stark gewesen. Jetzt wird German Marcel Quitsch aus Dresden gegenüberstehen. Von dem gibt es nicht mal ein Video. In dieser Woche hat sich German Urlaub genommen von seinem Job als Speditionskaufmann. Drei Tage.

12. Mai, Kampftag, 14.20 Uhr, Universal Hall: In der Mitte steht der Käfig, ein Oktagon, die Streben gepolstert, die Seiten mit Maschendraht abgegrenzt, ganz in Schwarz. Seit einer Dreiviertelstunde treffen die Kämpfer ein. Der Ringsprecher hat seine Badezimmerwaage mitgebracht, sehr genau ist die nicht, aber es ist ja für alle dasselbe. German hat 91,5 Kilo, 93 hätte er wiegen dürfen. Er gibt die CD mit seiner Einlaufmusik beim DJ ab. Jesse-Björn Buckler ist da, der erfahrenste Kämpfer aus dem IMAG. Er steht heute Abend selbst nicht im Ring, gibt German Tipps im Cage.

15 Uhr, Universal Hall: Die Dresdener sind da. Germans Gegner: drahtige, kräftige Figur, Kurzhaarschnitt. Beim Wiegen bringt er rund 7 Kilo weniger auf die Waage als German. Gut oder schlecht? Er könnte sehr schnell sein, glaubt German.

15.20 Uhr, Universal Hall: Frank Burzcynski, der nicht nur Germans Trainer ist, sondern auch der sportliche Leiter der Veranstaltung, ruft alle Kämpfer zur Besprechung. Die Regeln werden durchgegangen: Ellenbogen- und Kniestöße zum Kopf sind im Stand erlaubt – es sei denn, beide Kämpfer einigen sich vorher, dass sie das nicht wollen. Ansonsten gilt die „Dreipunktregel“: Wenn irgendein anderer Körperteil als die beiden Fußsohlen den Boden berühren, sind Ellenbogen- oder Kniestöße zum Kopf verboten. Alle Kämpfe werden über 2 x 5 Minuten gehen. Noch streikt der Drucker, deshalb kann die Reihenfolge der Kämpfe noch nicht verteilt werden. Handschuhe in den Größen M und L werden verteilt, sie kommen vom Sponsor und dürfen behalten werden.

15.45 Uhr, Universal Hall: German erfährt, dass er den vorletzten Kampf des Abends bestreiten wird, um 22.45 Uhr. Sieben Stunden.

16.45 Uhr, vor der Halle: German und die anderen Kämpfer vom IMAG gehen spazieren. Auch Marcel Quitsch genießt die Nachmittagssonne. Für den 26-jährigen KFZ-Mechaniker aus Dresden ist es der zweite MMA-Kampf, ein paar Kickboxkämpfe hat er schon hinter sich. Sein Händedruck ist fest, aber er hat weiche Hände. Wie German.

17.45 Uhr, Eingang der Universal Hall: Die Kasse öffnet. Die Veranstaltung, die dritte aus der Reihe „We Love MMA“ des Veranstalters Marcus Wortmeier, ist seit zehn Tagen ausverkauft. 70 Prozent der Zuschauer sind Männer. Fünf Stunden.

18.30 Uhr, vor der Halle: Germans Vater ist da. Der stämmige Mann steckt sich vor der Tür eine Zigarette an. „Ich rauche sonst nie“, sagt er.

20.45 Uhr, Universal Hall: Seit die Veranstaltung vor gut eineinhalb Stunden begonnen hat, sind sieben Kämpfe gelaufen. Davon gingen zwei über die volle Kampfzeit, zwei wurden vom Ringrichter nach Schlagserien am Boden gestoppt, drei Kämpfer gaben auf, weil sie in Würge- oder Hebelgriffe geraten waren. German steht im Publikum, versucht sich zu lockern. Er sieht ein bisschen blass aus. Zwei Stunden

22.30 Uhr, Keller: Der Backstage-Bereich ist viel zu klein. Überall liegt Müll. Nur im Flur ist Platz, um sich aufzuwärmen. Zwei Trainingspartner helfen German, arbeiten mit ihm an den Pratzen, üben noch einmal den Clinch. Die Tritte und Schläge auf die Pratzen kommen unglaublich hart. Sieht gut aus. Aus der Halle Geschrei und Applaus. 15 Minuten.

22.45 Uhr, Saal: Zuerst wird Germans Gegner in den Käfig gerufen. Dann ertönt Germans Einlaufmusik – ein wilder Pogo. „Sind das Schwangerschaftsstreifen?“, fragt einer im Publikum seinen Nachbarn. Und es stimmt: An Germans Haut sieht man, dass es noch nicht so lange her ist, dass er viele Kilos mehr wog.

22.50 Uhr, im Käfig: Der Kampf beginnt. German wollte vorsichtig anfangen, den anderen kommen lassen, kontern. Er vertraut darauf, ein gutes Auge zu haben, den Schlägen ausweichen zu können. Das klappt auch ganz gut, nur gelegentlich kommt Marcel mit Schlag-Tritt-Kombinationen durch, ohne aber Wirkung zu hinterlassen. Aber von German müsste mehr kommen. Der Kampf bleibt im Stand, keiner von beiden unternimmt auch nur den Versuch, den anderen zu Boden zu bringen. Kurz vor Ende der ersten Runde kracht eine harte Rechte an Germans Kinn, ihm knicken die Beine weg. Marcel setzt sofort nach, das Rundenende rettet German vor dem drohenden K.o. Zu Beginn der zweiten Runde ist German leidlich wieder klar. Marcel eröffnet die Runde aggressiv, pumpt aber schwer, atmet mit weit geöffnetem Mund, ein Zeichen des Konditionsmangels. Aber German ist selbst schon viel zu müde, um auf Ideen zu kommen. Würde er sich jetzt im Bodenkampf sicherer fühlen – er könnte den Kampf mit guten Takedowns noch gewinnen. Doch es bleibt ein Kickboxkampf, und Marcel ist heute Abend der bessere Kickboxer. Beide können nicht mehr, Germans Schläge und Tritte, beim Aufwärmen im Keller noch gewaltige Bomben, sind nur mehr Streichler. Der Kampf ist aus, German verliert einstimmig nach Punkten.

German während des Kampfes am 12.05.2012. Bild: We Love MMA

23.20 Uhr, Backstage: German schwitzt immer noch stark, spricht von eingeschränkter Feinmotorik. „Du hast die Schläge gut mit dem Kopf geblockt“, witzelt Jesse-Björn. „Warum bin ich eigentlich umgefallen, ich hab nichts gespürt“, fragt German. Von der zweiten Runde weiß er nicht mehr viel. „Aus Niederlagen muss man lernen“, sagt er sich selbst. Sein Unterkiefer ist irgendwie verrutscht. Hier gibt es nicht einmal eine Dusche.

23.45 Uhr, Universal Hall: Die Halle ist leer, der Käfig wird abgebaut, die Security führt einen Betrunkenen heraus. German trifft seinen Vater vor der Halle, der knufft seinen Sohn, umarmt ihn. „Bis Dezember muss ich viel an meiner Kondition arbeiten“, sagt German. Er will weiterkämpfen.

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6 Kommentare

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  • MH
    Marva H. Kuebler

    @ TAZ: Danke dass ihr euch die Mühe macht, mit den Sportlern zu reden und euch das Training und die Wettkämpfe genauer anzusehen, bevor ihr darüber schreibt. Der Artikel ist sehr gut geworden. Sowas liest man in diesem Bereich noch sehr selten.

     

    @ welove: Guter Kommentar (Du dir ja ganz schön viel Arbeit gemacht um die üblichen Vorurteile, die aus vorgefertigter Ablehnung gepaart mit Nichtwissen konstruiert werden, zu beantworten.)

     

    @yberg.

    das gilt dann in noch grösserem mass für die Fussballer, Handballer und Skifahrer, die sich jedes Jahr die Knie und Knöchel brechen, statt sicher zuhause rumzusitzen und auf die Auswirkungen von ihrer Arteriosklerose zu warten.

    btw. noch teurer kommen die Auswirkungen von mentalen Dysbalancen mit Fehlernährung und Bewegungsmangel...wer schützt uns vor denen?

     

    @ Heinzl: Du widersprichst dir. Aufgabe und Abklopfen ist das selbe. Meines Wissens gibt es diese Möglichkeit sowohl bei den irischen Travellers, die ohne Handschuhe boxen und bei den "Underground"-Wettveranstaltungen von sowas wie "rio heroes".

     

    Und sowieso: ich halte die Bezeichnung "härteste Kampfsportart" fürs mma sowieso für verfehlt. Richtiger wäre: "Die Komplexeste" oder "die vollständigste" Man kann ja den Schlagenden kontrollieren. Wenn man es kann...Ich hatte bei von fünf Kämpfen insgesamt drei blaue Flecke. Und eben immer aufgeben. Das Training is allerdings sehr umfassend und anspruchsvoll und erfordert ziemlich viel Rücksichtnahme aufeinander. Und ein grosses Mass an vorsichtigem, empathischen Umgang miteinander... sonst wärn wa nämlich schon alle tot, wa ;-D

  • W
    WeLoveMMA

    Aber darum soll es ja gehen. Dieser Diskussion mit griffigen Argumenten entgegen zu wirken und sich nicht auf das Niveau der Leute herunter zu lassen, die es schlecht reden, obwohl sie keine Ahnung haben. Es kann nicht sein, dass Leute eine Diskussion leiten, von einem Thema, von dem sie nicht einen Funken Ahnung haben.

     

    Nur weil ich Doktor House im Fernsehen geschaut habe, werde ich mich nicht auf einen Ärztekongress setzen und über die sinnhaftigkeit neuester Behandlungsmethoden diskutieren. Und auch ein Blick in Wikipedia reicht da nicht aus. Das was da hilft ist: selber machen oder mal selber dabei sein. Und das NUR unter der Voraussetzung, dass ich gewillt bin, mir diese Seite anzuhören. Wenn ich davoreingenommen reingehe und nur darauf warte, dass was außerhalb der Reihe passiert, dann kann man sich die Zeit auch sparen. Aber dann sollte man das Thema auch die Leute bearbeiten lassen, die was davon verstehen.

     

    Aber ich sehe das so, dass MMA jetzt eine Diskussion durchläuft, die jeder neue Sport mit sich bringt. Auch Boxen war nicht immer anerkannt. Und Fussball musste sich genauso durchsetzen. Und der MMA-Sport ist auf dem besten Wege sich zu etablieren, da immer mehr Leute sehen, dass die Berichterstattung sehr einseitig gehalten wird. Und wenn man genau ein Foto von einer Veranstaltung sieht, wo ein Kämpfer blutet, dann ist das mutwillig mit dem Nutzen dem Sport zu schaden veröffentlicht worden. Denn 15 andere Kämpfe sind ohne eine einzige Blutung zuende gegangen. Es ist ein Vollkontaktsport, da wird sich eben nicht gestreichelt. Aber auch nicht hirnlos bis zum Ende geprügelt. Dafür gibt es Regeln, den Referee und den eigenen Verstand und die eigene Moral. Und die ist bei JEDEM Kämpfer mehr als ausgeprägt. Denn manchmal ist man auch der Unterlegene.

     

    Und noch etwas mal zum Nachdenken: Woher kommt denn der meiste Gegenwind? Aus der Boxlobby. Denn die Leute wollen keine geschobenen und gekauften Kämpfe mehr sehen. Und die Fadenzieher wollen ihren Status nicht verlieren. Dort geht es ihnen nur noch um die Kohle. Und wenn MMA groß wird, dann werden einige von denen baden gehen. Und wer lässt sich schon am eigenen Stuhl sägen?

     

    Und noch was, mal zum Publikum: Ich habe auf noch keiner Veranstaltung erlebt, dass irgendein Kämpfer ausgebuht wurde oder in sonst irgendeiner Weise von den Fans der Gegenseite diffamiert wurde. Das ist beim Boxen ganz anders ;) Think about that.

     

    PS: Aber danke für deinen Beitrag mit positivem Inhalt. Je mehr Leute dem MMA den Rücken stärken, desto weniger Argumente gibt man den Gegnern ;)

  • A
    Anno

    @WeLoveMMA: Völlig sinnlos aufgewendete Zeit.

    Die deutsche Diskussion über MMA ist längst in einer Phase angekommen, wo sachliche Argumente nicht mehr gelten.

     

    Wer erinnert sich noch an die Diskussion bei Stern TV 2009 und den Quatsch, den Werner Schneyder dort ungestraft verbreiten durfte?

  • W
    WeLoveMMA

    Nun gut, lange hat es gedauert, bis ich mich zu einem Kommentar hab hinreißen lassen. Mit großem Argwohn und aber vor allem mit persönlicher Betroffenheit beschaue ich seit einiger Zeit die Kommentare vieler Leute zum Thema MMA. Ich selbst, Student der Biologie und Chemie auf Lehramt, betreibe diesen Sport seit Jahren.

     

    Ich kann nicht verstehen, wie dermaßen kontrovers über diese Sportart diskutiert werden kann, wenn 90% der Leute nicht mal den Hauch einer Ahnung davon haben, um was es in diesem Sport geht und wer alles dahintersteht. Wer von den Leuten, war denn jemals auf einer ordentlichen MMA-Veranstaltung? Wer war denn dieses Wochenende bei We Love MMA, dass er sich ein Urteil darüber bilden kann, wer daran beteiligt ist und was es für leute sind.

     

    Ich finde es persönlich als Beleidigung, wie alle Leute über einen Kamm gescheert werden, die diesen Sport betreiben oder diesem zugetan sind. Überall gibt es schwarze Schafe, die aus der Reihe tanzen. Auch will man nicht verschweigen, dass es diese im MMA gibt. Doch bezieht die Mehrheit der Leute Stellung dazu. Politik und extreme politische Ausrichtungen (rechts wie links) haben im MMA nichts zu suchen und es gibt da auch keinerlei Handlungsspielraum. Für niemanden.

    Jeder der also versucht das MMA in diese Richtung zu reden und zu drängen, hat sich mit der Materie nicht einen Funken beschäftigt. Und wer sich dazu noch von Äußerlichkeiten beeinflussen lässt, der hat erst recht nicht den Hauch einer Ahnung und sollte seinen Kommentar dort belassen, wo er entstanden ist - im eigenen Kopf.

     

    Zum Thema "Blutboxen", "bis einer nicht mehr aufsteht", "am Boden liegende Gegner werden geschlagen" etc.pp., also all die schönen Formulierungen, die man so häufig liest: Hier sei als erstes mal gesagt: MMA IST und BLEIBT ein Vollkontaktsport. Ob man das gutheißt oder nicht, steht auf einem ganz anderen Blatt Papier. Wer es nicht mag, der sollte sich vielleicht auch aus dem Thema raushalten, da mit einer voreingenommenen Meinung zur Hetzjagd geblasen wird. Kampfsporterfahrungen bei solchen Leuten ist meist fehl am Platz. Meist haben diese Leute ein Dojo noch nicht mal von innen gesehen. Zum anderen sprechen diese Formulierungen wieder einmal von Nichtwissen. Natürlich wird ein Kampf von beiden Kämpfern versucht vorzeitig zu beenden. Wer verlässt sich schon gerne auf ein Kampfrichterurteil? Und natürlich geht dieser vorzeitige Kampfabbruch über ein KO. Wie im Boxen auch. Aber dort soll es ok sein und im MMA soll es eine verherrlichung von Gewalt sein? Da wird doch mit zwei unterschiedlichen Maßstäben gemessen. Ein vorzeitiger Sieg im MMA kann im übrigen auch durch andere Aufgabetechniken errungen werden. Und diese sind weit weniger schädlich als ein KO-Treffer am Kopf. Und wer sich damit mal auseinandergesetzt hat, der weiß, dass das "Grappling" (Bodenkampf) eine wissenschaft für sich ist und sich mehr mit Physik, Biologie und deren Prinzipien beschäftigt als andere Sportarten. Und JEDER MMA-Kämpfer hat Kenntnis davon. Denn was bringt es an einem Arm zu ziehen, wenn man nicht grundlegend weiß, wie genau eine Hebelwirkung erzeugt wird. Was bringt es an einem Gelenk in eine Richtung zu hebeln, in die es sich sowieso strecken lässt? Was bringt es jemanden zu würgen, ohne dabei wirklich eine Wirkung zu entfalten? Wer von den Leuten, die kein MMA trainieren können aus dem Stegreif herleiten, was der Unterschied zwischen Würgen und Strangulieren ist, welche Randbedingungen erfüllt sein müssen, damit ein Hebel hebelt? MMA ist weit mehr als nur Schlagen und versuchen den Gegner irgendwie unschädlich zu machen. MMA ist zu vergleichen mit Schach. Jede Bewegung zieht eine weitere nach sich. Jede Aktion kann beantwortet werden. Und es gewinnt der, der im richtigen Moment die richtige Antwort parat hat und welche vom Gegner nicht erwartet wird. Und warum ein am Boden liegender Gegner geschlagen werden darf erklärt sich von fast ganz alleine: Er ist nicht wehrlos. Auch aus der Rückenlage können Kämpfe gewonnen werden und werden es vor allem mit großer Häufigkeit. Man darf nicht dem Irrglauben verfallen, dass von einem am Boden liegenden Gegner keine Gefahr mehr ausgeht. Das kann im übrigen auch jeder Judoka bestätigen. (Anbei sei bemerkt, dass es im Judo mehr Knochenbruche und schwerwiegende Verletzungen gibt, als im MMA ;) ).

     

    Was die Verrohung der Jungend durch Kampfsport angeht möchte ich folgendes zum Nachdenken angeben: Die wenigsten Auseinandersetzungen auf der Straße (Prügelein im Club, Pöbelein etc.) gehen von Jugendlichen mit Kampfsporthintergrund aus. Denn Credo eines jeden Vereins ist der Respekt vor dem anderen und die eigene Überlegenheit nicht für niedere Zwecke zu missbrauchen. Denn wer sich im Käfig mit gleichwertigen Kämpfern misst, der braucht diesen Wettkampf nicht auf der Straße. Ein Kampfsportverein ist vielmehr ein Auffangbecken von Jugendlichen jeder Gesellschaftsschicht. Ob nun Sohn eines Arztes oder Tochter einer Krankenschwester. Jungen wie Mädchen finden in solchen Vereinen Rückhalt, erfahren RESPEKT (aber nicht die Art von Respekt, die man sich "erprügelt", sondern Respekt vor der Leistung und vor allem vor den sozialen Fähigkeiten). Neue Mitglieder werden mit offenen Armen empfangen, unterstützt und eingegliedert. Und viele Freundschaften setzen sich auch über die Vereinsgrenzen hinweg. Man lernt den Weg und die Leistung anderer anzuerkennen. MMA ist ein SPort für Gentleman (und auch Gentlewoman ;) ). Jeder Kampf beginnt und endet mit einem Shake-hands. Und dieser wird nicht vom Ringrichter gefordert, sondern erfolgt freiwillig von den Kämpfern. Auch während des Kampfes für zum Beispiel eine unfreiwillig passierte verbotene Technik oder für eine besonders gut gelungene Technik. Und nicht unüblich ist das Verneigen voreinander und umarmen nach einem Kampf, wie auch immer dieser ausgegangen ist. Fußball oder Boxen zeigt dabei oftmals weniger Sportgeist als MMA.

     

    Als letztes würde ich ganze gerne etwas sehr persönliches ansprechen: das soziale Engagement MMA-betreibender Vereine. Jeder sollte dabei mal in sich kehren und darüber nachdenken, was sein persönlicher Beitrag zur Gesellschaft und der heranwachsenen Jugend ist. Wir in unserem Verein bieten zum Beispiel den Jugendlichen Förderunterricht in allen Bereichen der Schule an. Auch Erwachsenenbildung hat Einzug erhalten. Es gibt Seminare für Schulklassen und Deeskalationsseminare. Andere Verein bieten kostenlosen Unterricht an für Jugendliche, deren Eltern sich keinen Vereinsbeitrag leisten können. Vorneweg gibt es einen Verein, der Jugendliche von der Straße holt, ihnen ein Dach über dem Kopf und eine Familie bietet.

     

    In diesem Sinne hoffe ich, dass ich eine Blick hinter die Kulissen des MMA eröffnen konnte, der den ein oder anderen wachrüttelt und aus seiner von Vorurteilen und Schubladendenken geprägten Welt rausreißt.

     

    Wer sich gerne mal einen kurzen Beitrag anschauen möchte, von einem Reporter einer renomierten Berliner Rundfunksenders:

     

    http://www.berliner-rundfunk.de/#/content/display/key/einsatz-im-vollkontakt

  • H
    heinzl

    Der härtest Kampfsport ist immer noch Bare Knuckle Fighting: Keine Handschuhe, keine Runden, kein Abklopfen, keine Schiedsrichter. Sieg nur durch Aufgabe des Gegners oder Knockout.

    In Deutschland illegal, (allerdings eher wegen der Ringwetten)aber trotzdem populär.

  • Y
    yberg

    na die jungs sind doch bomben für unser sozialsystem.

     

    mag ja sein,daß sich ein weltmeister lebenslang versorgen kann,aber die andern helden-geschätzt 98 % die auch von dauerruhm träumen - können sich ja nicht mal privat versichern weder in sachen krankheit, berufsunfähigkeit und rente,um sich gegen die risiken abzusichern

     

    wenns unglücklich läuft landen sie ,wenn auch ungewollt,man ist ja schließlich held,im sozialen netz

     

    über die vorbildhaftigkeit dieser kampfsportart, eines fleischgewordenen computerspiels,für unseren männlichen nachwuchs,läßt sich auch streiten, kultiviert dieses brachiale gewaltspiel doch körperliche auseinandersetzungen im gesellschaftlichen zusammenspiel

     

    darf die gesellschaft sich vor den helden und die helden vor sich selbst schützen.darüber würd ich gern noch was lesen.