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Frederic Vester

Professor Frederic Vester (65) sagt von sich, er sei kein Spezialist für irgendein Feld der Wissenschaft, sondern für eine Methode. Die Methode heißt „Sensitivitätsanalyse“. Sie analysiert komplexe Systeme, die über vielfältige Vernetzungen funktionieren — oder auch nicht, so wie lebende Systeme (Organismen, Ökosysteme und so weiter) funktionieren oder auch nicht. Mit seiner Methode ist Vester, von Hause aus Biochemiker, dem Phänomen Streß nachgegangen, ebenso der Krankheit Krebs, der Wasserproblematik oder dem System Landwirtschaft.

In München leitet er seit 20 Jahren ein kleines aber feines Institut („Studiengruppe für Biologie und Umweltschutz“). Vester berät Politiker und Industrielle im In- und Ausland. Bankern und Managern bringt der „Ökofreak“ Vester (Selbsteinschätzung) in Festvorträgen sein „vernetztes Denken“ nahe. An der Wirtschaftshochschule St. Gallen lehrt der Biochemiker Vester „evolutionäres Management“.

Mitte der 80er Jahre rückte er auf Initiative und im Auftrag des Autokonzerns Ford unserem Verkehrssystem zu Leibe, einem System also, das erkennbar nicht funktioniert. Als die Studie 1988 fertig war, fehlte dem Auftraggeber der Mut zur Veröffentlichung, obwohl auch zahlreiche Ford-Ingenieure dem Systemdenker zuarbeiten durften. Ford-Angestellte, die sich brennend dafür interessierten, was aus ihrem Beitrag zu Vesters Analyse geworden war, mühten sich im eigenen Haus vergeblich um ein Exemplar der Studie. Die Kopie, die sie schließlich auf verschlungenen Pfaden doch noch auftrieben, kursierte bei den Autokonstrukteuren ähnlich wie Samisdat-Literatur in Breschnews Sowjetunion. Kürzlich erschien die Studie — nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Schamfrist — in einer aktualisierten Fassung als Buch. gero

Frederic Vester, Ausfahrt Zukunft — Strategien für den Verkehr von morgen, Heyne-Verlag, 496 Seiten, 39,80 DM.

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