: Frauenquote wieder auferstanden
Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs gegen die Bremer Frauenquote hat das Bundesarbeitsgericht nun beschlossen: Frauen dürfen doch bevorzugt werden ■ Aus Bremen Dirk Asendorpf
Die Frauenquote ist tot – es lebe die Frauenquote. Fünf Monate nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs gegen die gesetzlich vorgeschriebene Bevorzugung von Frauen im Bremer Öffentlichen Dienst hat das Bundesarbeitsgericht gestern die Bevorzugung von Frauen bei gleicher Qualifikation im Grundsatz trotzdem für zulässig erklärt. Allerdings müssen die entsprechenden Gesetze eine Härtefallregelung enthalten, nach der es im Einzelfall möglich bleibt, einen Posten trotzdem mit einem gleichqualifizierten Mann zu besetzen.
Diese Interpretation des Luxemburger Urteils durch die höchsten deutschen Arbeitsrichter bedeutet, daß die Gleichstellungsgesetze in Berlin, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig- Holstein Bestand haben. Die Kasseler Richter haben dies in ihrer Entscheidung auch ausdrücklich erklärt. „Für Gleichstellungsgesetze, die ausdrücklich Ansnahmen in unterschiedlicher Weise zulassen oder sehr differenzierte Quoten vorschreiben, gelten diese Bedenken nicht“, heißt es in der Urteilsbegründung.
In das Bremer Gesetz muß eine solche Härtefallregel nun nachträglich eingebaut werden. „Wir sind erleichtert, daß der eignungsbezogenen Quote damit nichts mehr im Wege steht“, erklärte die Sprecherin der Bremer Frauenbeauftragten, Brigitte Melinkat, nach der Bekanntgabe der Entscheidung.
Kalanke bekommt kein Schmerzensgeld
Auch im konkreten Fall des Bremer Gartenbauingenieurs Eckhard Kalanke, der das Verfahren durch seine Klage ausgelöst hatte, haben die Kasseler ein zurückhaltendes Urteil gefällt. Bremen wird lediglich verpflichtet, über Kalankes Bewerbung um einen Abteilungsleiterposten im Gartenbauamt neu zu entscheiden. 1990 war ihm seine Kollegin Heike Glißmann unter ausdrücklichem Verweis auf das Bremer Frauengleichstellungsgesetz vorgezogen worden. Kalankes Anträge auf Schadenersatz, Schmerzensgeld und automatische Beförderung auf den Posten seiner Kollegin hat das Kasseler Gericht jedoch zurückgewiesen.
Kalankes Anwalt hatte vor der Verhandlung erklärt, Kalanke werde die Europäische Kommission in Brüssel mit einer Beschwerde anrufen. Denn Verwaltung und Gerichte in Bremen hätten sich geweigert, das zu seinen Gunsten vom Europäischen Gerichtshof erlassene Urteil in die Praxis umzusetzen.
Daß der 58jährige Kalanke bei einer neuen Entscheidung über die Stellenbesetzung jetzt den Vorzug gegenüber seiner 53jährigen Kollegin bekommt, ist weiterhin mehr als zweifelhaft. Schließlich hat Glißmann den Abteilungsleiterposten inzwischen über fünf Jahre lang zur Zufriedenheit ausgefüllt und sich damit für die neue Besetzungsrunde auch ohne Frauenbonus bestens qualifiziert. Ausdrücklich hat das Kasseler Gericht zudem Kalankes Argument zurückgewiesen, seine Kollegin Glißmann sei ja Doppelverdienerin und deshalb weniger auf die Beförderung angewiesen als ein alleinverdienender Ehemann. Dieses Argument sei „kein sachgerechtes Kriterium“ hieß es in der mündlichen Verhandlung in Kassel.
Die Luxemburger Entscheidung war im vergangenen Oktober von Frauenpolitikerinnen als „massiver Schlag ins Kontor“ (Bremens Frauensenatorin Tine Wischer, SPD) gewertet worden. Das Urteil des ausschließlich männlich besetzten Europäischen Gerichtshofs komme einer „Trendwende“ gleich, kommentierte damals die Bremer EU-Abgeordnete Karin Jöns (SPD). Europa führe sich damit bei den deutschen Frauen denkbar schlecht ein.
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