Frauenquote für Führungspositionen: Ihr vergesst die Basis
Jetzt Frauen per Gesetz in Vorstände und Aufsichtsräte bringen zu wollen, ist falsch. Die Diskussion lenkt von den eigentlichen Problemen ab.
V iele Politikerinnen von rechts bis links sind sich einig - es muss eine verbindliche, am besten gesetzliche Quotenregelung für Vorstände und Aufsichtsräte der Unternehmen her, weil Frauen anders anscheinend keinen Zugang zu diesen Top-Positionen bekommen.
Die Wirtschaftsbosse zeigen sich unwillig. Und vertrösten mit der Aussicht, den Frauenanteil in Führungspositionen unterhalb der Vorstandsebene anzuheben. Dabei dürfte es sich auch bis zu ihnen herumgesprochen haben, dass gemischte Teams erfolgreicher sind und Konzerne mit einem guten Schuss weiblicher Führung besser abschneiden.
Dennoch ist die Forderung nach verbindlichen Quoten für deutsche Aufsichtsräte und Vorstände zu diesem Zeitpunkt falsch. Dazu sind die Modernisierungsrückstände in Sachen Geschlechterverhältnis auf allen anderen Ebenen hierzulande einfach zu groß.
Claudia Pinl lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Köln. 2010 erschien von ihr "Ehrenamt: Neue Erfüllung, neue Karriere (Walhalla Fachverlag).
Es ist ja nicht nur die "gläserne Decke" und die Männerkumpanei, die es Frauen schwer macht, auf die einflussreichen, gut bezahlten Posititionen oder gar die Vorstandsebenen vorzudringen. Das ganze gesellschaftliche Fundament unterhalb dieser Kommandohöhen der Wirtschaft ist nach wie vor traditionell strukturiert, das heißt nach dem "Ernährer-Modell" organisiert.
Anders als in anderen Ländern gibt es in Deutschland kein Individualsteuersystem, sondern das berüchtigte "Ehegatten-Splitting", das einstmals eingeführt wurde, um Frauenerwerbsarbeit unattraktiv zu machen. Und diese Funktion erfüllt es heute noch.
Die Bundeskasse kostet diese Subvention der patriarchalen Ehe rund 22 Milliarden Euro im Jahr. Und alle Erwerbstätigen, Männer wie Frauen, Singles wie Verheiratete, zahlen mit ihren Sozialversicherungsbeiträgen die kostenlose Mitversicherung nicht erwerbstätiger Ehefrauen.
Wenn das erste Kind da ist, erweisen sich die Strukturen als stärker
Mit Milliardensummen wird also ein überfälliges Familienmodell aufrechterhalten, mit Geld, das ein flächendeckendes und qualitativ hochwertiges Betreuungssystem für Kleinkinder gut gebrauchen könnte. Das aber ist erst in Ansätzen zu sehen. Und auf dieses altfränkische Gesellschaftsmodell soll eine verbindliche Frauenquote fürs oberste Führungspersonal gepfropft werden? Das kann nicht gut gehen.
Spätestens, wenn das erste Kind da ist, erweisen sich die Strukturen als stärker: endlose Wartelisten für die Kita, der Mann und Vater verbal aufgeschlossen, aber faktisch unwillig, die Familienarbeit zu teilen; das Umfeld verständnislos. Frauen, die den Hürdenlauf auf der Karrierebahn trotzdem bestehen, zahlen einen hohen Preis an Zeit, Energie und Lebenskraft.
Verständlich, wenn viele, auch gut ausgebildete Frauen sich stattdessen auf die Versorgung von Mann und Kind konzentrieren, den Beruf allenfalls als Zuverdienstmöglichkeit gelten lassen. Dann aber wird die Personaldecke schnell dünn, wenn es gilt, Quotenvorgaben von 30 oder gar 50 Prozent in Aufsichtsräten, Vorständen und auf Leitungspositionen im mittleren Management zu erfüllen.
Die aktuelle Quotendiskussion ist aufgesetzt
Skandinavische Länder oder Frankreich, die bei der Quotierung von Aufsichtsräten vorpreschten, taten dies in einer Gesellschaft, in der niemand berufstätige Mütter schräg anschaut oder diffamierend von "wegorganisieren" spricht, wenn Kleinkinder Kitas besuchen. Es sind zugleich Länder, in denen schon länger mehr Frauen in höchsten Entscheidungsgremien sitzen und besser verdienen als in Deutschland, Länder, in denen es auch für einen Vater nicht ehrenrührig ist, Teilzeit zu arbeiten.
Die aktuelle Quotendiskussion ist aufgesetzt. Erfolgreich lenkt sie von der Misere ab, der karriereorientierte Frauen in Deutschland ausgesetzt sind. Die am besten ausgebildete Generation von Frauen, die es je gab, scheitert nicht erst an der Glasdecke vor der obersten Etage. Die Knüppel, die ihnen die Politik jahrzehntelang zwischen die Beine geworfen hat, lassen sie schon viel früher stolpern. Es ist ja nicht nur das Ehegatten-Splitting aus Adenauer-Zeiten.
Die unter der rot-grünen Bundesregierung vorgenommene Ausweitung von Beschäftigungsverhältnissen unterhalb der Sozialversicherungspflicht erscheint vielen Frauen als Ausweg aus der "Vereinbarkeits"-Falle, auch wenn sie sich damit später Altersarmut einhandeln.
Der zaghafte Versuch, mit den "Vätermonaten" beim Elterngeld auch Männer zu einer familienfreundlichen work life balance zu verlocken, wird durch die aktuelle Aussicht auf eine "Herdprämie" (Geld für die Kleinkinderbetreuung zu Hause, das ist der Union sehr wichtig) wieder zunichtegemacht.
Das Problem sitzt nicht nur in den Strukturen
Der Druck der Strukturen spiegelt sich in den subjektiven Einstellungen der Menschen. Die Publizistin Bascha Mika wirft den Frauen "Feigheit" vor, weil sie sich allzu willig in die "Abhängigkeitsfalle" begeben, sich von eigenen Lebensentwürfen und Karriereplänen zugunsten von Mann und Kindern verabschieden. Polemisch, aber nicht falsch.
Zu viele Frauen verhaspeln sich in der traditionellen Geschlechterrolle, angefangen bei der Berufswahl. Metallverarbeitung oder Mathe gelten als uncool, weil nicht "weiblich" genug. Und die Abiturientin studiert vorzugsweise auf Lehramt, weil man dann so schön "vereinbaren" kann.
Frauen erhalten im Schnitt um 23 Prozent niedrigere Gehälter als Männer, ein gesellschaftspolitischer Skandal, den alle bedauern, an dem sich über die Jahre aber nichts Wesentliches ändert, allen Gleichbehandlungsvorgaben zum Trotz.
Wenn allerdings stimmt, was die NRW-Landesbausparkasse 2009 herausgefunden hat, dass bereits Mädchen in ihren Familien im Schnitt 16 Prozent weniger Taschengeld als ihre Brüder zugeteilt bekommen, dann stimmt grundsätzlich etwas nicht an der Einstellung gegenüber Frauen in dieser Gesellschaft. Und das Problem sitzt nicht nur in den Strukturen, sondern auch in unseren Köpfen.
Die Geschlechterbilder, die wir, Männer wie Frauen, dort abgespeichert haben und nach denen wir immer noch meinen funktionieren zu müssen, gehören dringend entsorgt. Anschließend darf die Quote kommen. Aber vielleicht brauchen wir sie dann nicht mehr.
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