piwik no script img

Frauenklinik grau vorfinanziert

■ Kurz vor Toresschluß fördert Untersuchungsausschuß brisante Neuigkeiten darüber zu Tage, wie Senator Brückner den vorzeitigen Neubau der Frauenklinik durchsetzte

Daß es innerhalb des Klinikums St.-Jürgen-Straße Usus war, Anschaffungen aus „grauen Kassen“ - am Klinik-Haushalt vorbei - zu tätigen, hat sich in Bremen mittlerweile herumgesprochen. Aber daß der frühere Gesundheitssenator Herbert Brückner diese Praxis noch übertroffen hat, indem er höchstwahrscheinlich einen millionenschweren Klinikneubau am öffentlichen Haushalt vorbei zwischenfinanzierte, ist ein neuer schwerwiegender Verdacht. Gestern hatte der Untersuchungsausschuß „St.-Jürgen-Straße“ als Zeugen Hans Koschnick geladen, der zur fraglichen Zeit Bürgermeister war.

Die Befragung ergab: Im Bremen-Plan der SPD Ende der 70er Jahre war dem Neubau der Frauenklinik nur zweite Priorität eingeräumt worden. Der damalige Finanzsenator Moritz Thape wollte bis 1983 deshalb nur 15 Millionen Mark für den Neubau überweisen. Gesundheitssenator Brückner jedoch wollte das 55 -Millionen-Projekt bis dahin schon viel weiter getrieben haben und unterbreitete dem Senat ein ungewöhnliches Finanzier- ungskonzept. In dem Zeitraum 1979-83 seien im Finanzplan des Senats jährlich 12 Millionen Mark vorgesehen, um die Ausbildung der Schwesternschülerinnen zu bezahlen. Diese Summe werde jedoch vermutlich nicht benötigt, da die Krankenkassen diesen Kostenpunkt nach Abschluß der Pflegesatzverhandlungen übernehmen müßten. Eine Erwartung, die sich 1985 keineswegs erfüllte, und die Brückners damaliger Beamter van Nispen schon Anfang der 80er Jahre für unrealistisch erklärt hatte.

Brückner jedenfalls setzte durch, daß 1981-83 wesentliche Bauabschnitte des Klinikums über Kredite der Krankenkassen zwischenfinanziert wurden. Ausschuß-Vize Günter Klein zitierte Aussagen des damaligen SPD-Vorsitzenden Konrad Kunick und des damaligen Finanzsenators Moritz Thape, die beide 1980 einem Baubeginn nicht zugestimmt hatten mit dem Argument, diese Art der „Vorgriffsfinanzierung“ sei nicht möglich. Ausschuß-Vize Günter Klein über die Finanzpraktiken des Ex-Senators Brückner: „Das ist eine Finanzierung

außerhalb des Haushalts gewesen. Finanzdeputation und Haushaltsausschuß wußten davon nichts.“ Diesen Vorwurf wies der Ex-Bürgermeister im Zeugenstand rigoros von sich: „Das gibt es nicht. Das hat es nie gegeben“.

Fest steht: die neue Frauenklinik hat 55 Millionen Mark gekostet, mindestens 24 Millionen Mark wurden in der Anfangsphase von den Krankenkassen zwischenfinanziert. Nach Abschluß der für den Senat ungünstig verlaufenen Pflegesatzverhandlungen hatte die öffentliche Hand das Nachsehen und mußte nachbuttern. Fest steht auch, zumindest Ausschuß-Vize Klein war als Mitglied des Haushaltsausschusses von den Transaktionen nicht informiert. In den Vorlagen der Finanzdeputation taucht die „graue“ Zwischenfinanzierung ebenfalls nicht auf.

„Verbale Abrüstung“ hat gestern Bürgermeister Wedemeier dem CDU-Fraktionschef Metz angeraten. Der hatte Wedemeier und Scherf wegen deren Aussage vor dem Ausschuß „feudalistische Herrschaftsallüren“ vorgeworfen.

B.D.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen