Frau­en*­kämp­fe in Berlin: Ein Tag ist nicht genug

Zehntausende demonstrierten am 8. März für Gleichberechtigung. Doch die Abschaffung des Patriarchats ist Aufgabe fürs ganze Jahr. Ein Wochenkommentar.

Zwei Frauen laufen an einem Banner vorbei. Anläßich des Frauentages haben sich am 8. März Hunderte Menschen an einer Kundgebung eines Bündnisses aus feministischen Gruppen, Gewerkschaften, Klima- und Care-Aktivisten am Rosa-Luxemburg-Platz versammelt.

Feminismus und Klassenkampf gehören zusammen, wie bei der Care-Demo an der Volksbühne deutlich wurde Foto: Paul Zinken/dpa

An feministischen Themen und Zielen mangelt es nie, insbesondere nicht in der Pandemie. Dass am 8. März auch ohne angekündigte Großdemonstration mehr als zehntausend FLINTA, also Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen, ihre Forderung nach Gleichberechtigung auf Berlins Straßen getragen haben, zeigt deutlich, wie viel in diesem Bereich noch zu tun ist.

Die Anliegen der Frau­en*­be­we­gung sind dabei so vielfältig wie die Aktionen selbst: An unterschiedlichen Orten in der Stadt wurde auf die Situation von Frauen* im Ukrainekrieg, in Afghanistan, in Pflegeberufen oder ganz allgemein im kapitalistischen Patriarchat aufmerksam gemacht.

Dass Feminismus und Klassenkampf zusammengehören, wurde etwa bei der Care-Demo an der Volksbühne in Mitte deutlich. Noch immer sind es hauptsächlich Frauen*, die in Pflegeberufen arbeiten – was einer der Gründe dafür sein dürfte, dass dieser Bereich trotz rhetorischer Aufwertung seitens der Politik hoffnungslos unterbezahlt und unterbesetzt ist.

Mit Lippenbekundungen allein ist die Miete aber nicht bezahlt, und der gebetsmühlenartig vorgebrachte Verweis der politisch Verantwortlichen auf fehlendes Geld ist spätestens nach dem in Nullkommanix von der Ampel-Bundesregierung aufgestellten Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr nicht mehr glaubwürdig. Zur Erinnerung: Für den Pflegebereich gab es trotz Pandemie gerade einmal 1 Milliarde Euro.

Dass Krieg und Aufrüstung wichtiger zu sein scheinen als Gesundheit, Betreuung oder Bildung liegt wohl auch daran, dass hauptsächlich Männer über die Verteilung der Steuergelder entscheiden: So beträgt der Frau­en*­an­teil im Bundestag nur rund 34 Prozent, im Berliner Abgeordnetenhaus sieht es mit 35,4 Prozent nicht viel besser aus.

Dass der 8. März in Berlin seit drei Jahren Feiertag ist, kann nicht darüber hinweg täuschen, dass Frauen weniger verdienen, häufiger von Altersarmut betroffen sind und patriarchale Gewalt erleben müssen

Zwar plant die rot-grün-rote Landesregierung erneut, ein Paritätsgesetz auf den Weg zu bringen, das die Teilhabe von Frauen im männerdominierten Politikbereich per Quote verbessern soll. Doch ob das Vorhaben in dieser Legislatur bessere Chancen hat als in der vergangenen, ist fraglich, Regierende BürgermeisterIN hin oder her. Denn allein Frauen in Führungspositionen ziehen nicht automatisch progressive Veränderungen nach sich. Das haben 16 Jahre Angela Merkel ebenso gezeigt wie die aktuellen de facto Kürzungen für feministische Projekte in Berlin unter Franziska Giffey.

Frauen arbeiten am Limit

Die politisch und ökonomisch Verantwortlichen – egal welchen Geschlechts – wären gut beraten, den Forderungen der zehntausend FLINTA, die am Frau­en*­kampf­tag allein in Berlin demonstriert haben, mindestens ebenso viel Gehör zu schenken, wie den paar vermeintlich besorgten Bü­rge­r*in­nen oder Schwur­b­le­r*in­nen, die uns allwöchentlich die Montage versauen. Die Pandemie hat deutlicher denn je gezeigt, dass es die Frauen sind, die die Gesellschaft unter prekärsten Bedingungen am Laufen halten.

Ob in der Kita, im Krankenhaus, im Altersheim oder der Assistenz: Care Arbeiterinnen fehlt es an Personal, Zeit, Geld, Material und geeigneten Räumen. Auch sind Kindererziehung, emotionale Fürsorge von Freun­d*in­nen und Familie, Hausarbeit oder die Pflege von Angehörigen nach wie vor überwiegend Frauensache – was sie nicht sein sollten.

Dass der 8. März in Berlin seit nunmehr drei Jahren ein gesetzlicher Feiertag ist, kann nicht darüber hinweg täuschen, dass Frauen weniger verdienen, häufiger von Altersarmut betroffen sind und patriarchale Gewalt erleben müssen. Ein freier Tag ist nicht genug. Allein um den Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern auszugleichen, müssten es 66 freie Tage sein.

Doch es geht um mehr als nur bessere Löhne, das haben die vielen FLINTA in Berlin am Frau­en*­kampf­tag deutlich gemacht: Es geht um ein selbstbestimmtes Leben in einer solidarischen Gesellschaft, in der Fürsorge wichtiger ist als Krieg und Gewalt.

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Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Schreibt in ihrer Kolumne "Pöbelmanie" über Klassenkampf aus der Perspektive eines Kindes der Arbeiter*innenklasse. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.

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