Frauenfußball in Spanien: Schönes Piksen
Im Frauenfußball ist Spanien ein Entwicklungsland. Die Fans stört das nicht. Zu den großen Spielen der Ersten Liga kommen um die 10.000 Zuschauer.
Schon am Vorabend hatten auf Teneriffa knapp 8.000 Menschen das Inselderby zwischen Granadilla Egatesa und UD Tacuense gesehen. Zwei solche Kulissen am selben Spieltag hat es im europäischen Frauenfußball noch nicht gegeben. In der Bundesliga kamen erst einmal über 10.000 Leute, 2014 beim Spiel zwischen dem VfL Wolfsburg und dem 1. FFC Frankfurt (12.464). In Spanien hingegen wurden bereits vorigen Dezember bei Atlético gegen den FC Barcelona 13.935 Schaulustige registriert und vor vier Jahren bei Athletic Bilbao gegen Barça gar 26.000.
„Es gibt ein schönes Piksen zwischen den Klubs, wer die meisten Leute in sein Stadion bringt“, beobachtet Pedro Malabia, Direktor für den Frauenfußball bei der spanischen Profiliga LFP. Dabei hinkt der spanische Frauenfußball in vielen Bereichen noch hinterher. Nationalelf und Klubs nähern sich nur langsam der internationalen Spitze, und die aktuellen Vergleichsstatistiken der Uefa vermelden nur 31.831 registrierte Spielerinnen – für Deutschland dagegen über 200.000, für Schweden knapp 180.000, für England, Frankreich und Norwegen gut 100.000. Doch wo in all diesen Ländern der Zuschauerschnitt der Ersten Liga bei rund 1.000 liegt, kommt Spanien auf den doppelten Zuspruch: rund 2.000 Fans pro Erstliga-Match.
Frauenfußball in Spanien, das ist durchaus Publikumssport, er findet sich sogar regelmäßig auf den Titelseiten der bekannten Sporttageszeitungen, meist nur klein im Eck, aber immerhin. Für Malabia gibt es keine Zweifel: „Das ist die Zukunft.“
Atlético vor Barça und Valencia
Im Alter von 36 ist der Enkel einer Großmutter aus dem schwäbischen Göppingen so viel Veteran wie Pionier des spanischen Frauenfußballs. Als Teenager auf der deutschen Schule in Valencia half er, eine Mannschaft zu gründen, war dort „alles mal“, Trainer, Delegierter, Manager. „Tendenziell wechselte ich vom Platz ins Büro.“ Die Mädchen spielten als DSV Colegio Alemán Valencia und schafften 2007 nach einem Joint Venture mit der lokalen Universität sogar den Aufstieg in die Erste Liga. 2009, im Jahr des zehnjährigen Bestehens, schlossen sich dem Valencia CF an, derzeit Dritter der Ersten Liga.
Atlético vor Barça und Valencia: Die aktuelle Tabelle klingt nach großem Fußball. Dass inzwischen 21 der 41 spanischen Erst- und Zweitligaklubs der Männer ein Frauenteam angedockt haben, ist sicher ein Schlüssel zum Aufstieg. Bekannte Marken, etablierte Rivalitäten, bei Bedarf die großen Stadien – all das hilft der Popularität. „Wir animieren alle Vereine, eine Frauenabteilung zu eröffnen, das ist ein unschätzbarer Wert für einen Klub“, sagt Malabia und erzählt das Beispiel von Deportivo La Coruña. „Voriges Jahr begannen sie uns anzurufen, damit wir sie beraten. Jetzt haben sie zum ersten Mal eine Mannschaft: Und sie sind begeistert.“
Als einzige europäische Männer-Profiliga ist die LFP auch in den Frauenfußball involviert. Die Spill-over-Effekte werden nicht zuletzt bei der Fernsehvermarktung sichtbar. Der Rechteinhaber der Männerliga überträgt zwei Partien pro Wochenende im frei empfangbaren Fernsehen (sowie eine dritte verschlüsselt) und kommt dabei immerhin für die Produktionskosten auf. Spitzenspiele übertreffen schon mal die Quoten von Zweitligapartien der Männer.
Und zum Stadionbesuch locken gerade in Spanien mit seinen im Herrenfußball so hohen Ticketpreisen die günstigen Eintrittskarten – 5 Euro waren es gestern im Calderón. Am Ende gab es ein 1:1, und natürlich: keine Gewalt, keine Attitüden. „Purer Fußball aus dem wirklichen Leben“, schwärmt Malabia.
Wann folgt Real Madrid?
Wie Atlético hat auch der FC Barcelona seine Fußballerinnen inzwischen als Profiabteilung ins Organigramm eingegliedert. Trainiert werden die aktuellen Champions-League-Viertelfinalistinnen von Xavi Llorens, einst erster Jugendtrainer von Lionel Messi im Klub, und natürlich legt man auch bei den Frauen besonders großen Wert auf den Stil. Passfußball und so. Die „DNA Barça“ habe bei den Mädchen nicht weniger Bedeutung als bei den Jungs, erklärt Llorens: „Wir üben dieselbe Taktik und bei einer Neuverpflichtung schauen wir nach demselben Profil.“
Nur ein Verein ziert sich bisher noch, Teil der neuen Herrlichkeit zu werden. Angeblich ist es aber nur noch eine Frage der Zeit, bis auch Real Madrid einsteigt, und zwar richtig: Präsident Florentino Pérez plane 15 Millionen Euro Etat – mehr als alle spanischen Klubs zusammen und doppelt so viel wie der europäische Etatführer Paris St. Germain –, heißt es in der Hauptstadt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus