Frauenbaden in Pinneberg: Muslimas auf dem Trockenen
Die Stadt Pinneberg führt eine Badestunde für Frauen ein. Über eine Anpassung an die Bedürfnisse von Muslimas wurde nicht diskutiert - Bürgermeisterin und Frauenbeauftragte sehen dazu keine Notwendigkeit.
HAMBURG | taz Niemand hatte die Absicht, über Integration zu diskutieren. Das Schwimmbad in Pinneberg sollte lediglich eine Frauenbadestunde bekommen, am Sonntag von halb neun bis elf Uhr morgens. Warum auf einmal alle über muslimische Frauen sprechen, will bei der Stadt im Hamburger Speckgürtel keiner so recht verstehen.
Es begann damit, dass eine Unterschriftenliste mit der Forderung nach einer Frauenbadezeit auf dem Schreibtisch von Bürgermeisterin Kristin Alheit landete. Der Sozialdemokratin war aufgefallen, dass "eben nicht Meier, Müller und Schmidt unterschrieben haben", sondern viele Namen auf eine muslimische Zugehörigkeit deuteten. "Es ist meine Aufgabe, mit Menschen zu sprechen", sagt Alheit. Auf die Idee, mit den UnterschreiberInnen der Liste zu sprechen, kam sie nicht. Das Frauenbade-Projekt sei bereits geplant, die Unterschriften nur der Auslöser gewesen, sagt sie. Andere Städte hätten ein solches Angebot längst, da müsse man nachziehen.
Für die Stadt gehe es darum, Frauen ein "unbelästigtes Baden" zu ermöglichen, sagt die Gleichstellungsbeauftragte Ellen Schülke. Für strenggläubige Muslimas geht es um mehr: Sie haben Probleme damit, wenn sie im Badeanzug männlichen Blicken ausgesetzt sind.
Es reicht nicht, wenn die anderen Badegäste ausschließlich Frauen sind - auch der Bademeister muss weiblich, der Schwimmbereich von außen nicht einsehbar sein. "Es muss eine Dame sein, eine Bademeisterin", heißt es dazu aus dem Hamburger Büro des Ditib-Verbandes, zu dem die türkisch-muslimische Gemeinde in Pinneberg gehört. Außerdem sei es zwingend nötig, dass die Fenster verhängt werden. "Sonst können die Frauen ja gleich zu normalen Zeiten schwimmen gehen."
Für Bürgermeisterin Alheit gehen diese Forderungen zu weit. Zusammen mit der Gleichstellungsbeauftragten habe sie das Frauenbade-Projekt diskutiert. Die "Anforderungen von Einzelpersonen" seien dabei nicht relevant gewesen.
Eine Bäder-Auswahl auch für strenge Muslimas:
In Hamburg-St. Pauli gibt es samstags ein Mädchen- und Frauenschwimmen, das auf die Bedürfnisse von Muslimas abgestimmt ist; ab Oktober auch in Wilhelmsburg.
In Elmshorn bleiben männliche Badegäste einmal im Monat draußen - manchmal ist die Badeleitung aber männlich.
Das Goosebad bei Bremen bietet montags und samstags Schwimmen für (muslimische) Frauen an.
Im Vahrenwalder Bad in Hannover gibt es mittwochs ab 17 Uhr Schwimmen ohne Männerblicke.
Im Stadtbad Braunschweig sind Frauen einmal im Monat unter sich - auch in Leggings, damit muslimische Frauen sich von Bauchnabel bis Knöchel bedecken können.
Der Burkini schließlich - die Polyester-Mischung aus Burka und Bikini - ist im Bäderland-Bad in Hamburg-Bramfeld erlaubt.
Noch deutlicher wird Henning Fuchs, der als Geschäftsführer der Stadtwerke für das Schwimmbad verantwortlich ist: Einen Badetag für Muslimas "haben wir nie auch nur im Ansatz gewollt", sagt er. Ein Angebot für muslimische Frauen sei, so Fuchs weiter, ein "politisches Minenfeld". Zudem sei es technisch gar nicht möglich, die Fenster des Schwimmbades vor Blicken von außen abzudecken - die Wände seien dazu nicht geeignet.
Als Badbetreiber hätten die Stadtwerke das Recht, zu entscheiden, was sie nicht wollen, sagt Fuchs. Und eine allgemeine Frauenbadestunde, aber mit verhangenen Fenstern, "wollen wir doch gar nicht".
Am diesem Sonntag nun soll es die erste Frauenbadestunde im Pinneberger Schwimmbad geben - ohne Verhang, dafür mit männlichem Bademeister. Nach einer sechsmonatigen Testphase will man entscheiden, ob es dabei bleibt: Nur bei einer Anzahl von mehr als 140 Badegästen in der Frauenzeit wird das Projekt fortgeführt. Denn das ist der momentane Kassenstand am Sonntagvormittag.
Die Gleichstellungsbeauftragte Schülke hofft, dass Muslimas das Angebot trotzdem nutzen - und verweist auf Ulm, wo muslimische Frauen einen Bademeister in der Frauenstunde akzeptieren: "Das ist ein starker Schritt nach vorn."
In Pinneberg hat bisher noch niemand versucht, mit der muslimischen Gemeinde zu sprechen. Und wie es aussieht, wird sich daran auch so schnell nichts ändern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern