Frauen im Film: Wir brauchen „Womance“
Wie weiter? Mit Verschwesterung. Hollywood strotzt vor „Bromances“. Freundinnen aber sucht man vergebens – trotz vieler starker Heldinnen.
Seit Ende der 90er „Mulan“ über die Kinoleinwände flimmerte, werden neue Disney-Filme mit feministischen Hosiannarufen empfangen. Toll, wie die Erben von Walts Macho-Vermächtnis mit alten Genderklischees gebrochen haben. Weg mit den Schneewittchens und Arielles, deren einzige Ambitionen Liebe und Ehe waren. Endlich keine Mogelpackungen mehr wie Belle, die uns zunächst als selbstsicherer Single verkauft wird – um dann doch zu heiraten und in ihrem französischen Kaff zu versauern.
Die neuen Heldinnen haben Karrieren, verschiedene Hautfarben und unterschiedliche Körperfettanteile. Disney-Prinzessin Moana kommt ganz ohne Romanze aus. Und seit Disney „Star Wars“ geschluckt hat, erobern Rey und Jyn, die Heldinnen von „The Force Awakens“ und „Rogue One“, auch die Männerdomäne der Sternenkriege.
Doch auf eins müssen alle Disney-Heldinnen immer noch verzichten: weibliche Freunde. Es wimmelt von verwitweten Vätern, männlichen Gefährten und noch viel mehr Tier-Sidekicks. Sogar die haben aber ausnahmslos Hoden.
Der chronische Freundinnenmangel existiert in der gesamten Popkultur. Frauenfreundschaften, überhaupt freundliche Verhältnisse zwischen nicht verwandten Frauen und Mädchen, sind eine absolute Rarität – auch in den Blockbuster-Epen, die derzeit für ihre Frauenfiguren gefeiert werden.
Warum ist Scarlett Johansons „Black Widow“ eigentlich die einzige Frau im Marvel-Helden-Verein „The Avengers“? Wo sind die Mithexen in Hermine Grangers Hogwarts-Leben? Die Piratin an Elizabeths Seite in „Fluch der Karibik“? Hatten Eowyn und Arwen in „Herr der Ringe“ denn gar keine Freundinnen? Warum sind all diese feministischen Frauen immer nur von starken Männern flankiert?
Um dieses zutiefst unfeministische Motiv zu verstehen, muss man sich das männliche Pendant der Frauenfreundschaft ansehen: die sogenannte „Bromance“ – ein Hit der gegenwärtigen Popkultur. Wir kriegen gar nicht genug von Sherlock und Watson, Tyrion und Varys, Kirk und Spock. Wir erfreuen uns an einer Dynamik, die zusammengesetzt ist aus Nibelungentreue, jungenhaftem Leichtsinn und dem Spiel mit der Homoerotik. Die Begeisterung für heterosexuelle Männerfreundschaft ist seit Patroklos und Achill ein Evergreen der westlichen Kulturgeschichte. Männer machen sich gegenseitig stärker. Frauen können nur durch Männer bestärkt werden.
Die abnormale Exotin
Für „Womance“ gibt es in unserem Kultur-Canon dagegen kaum Vorbilder. Das hat auch historische Gründe. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein waren Frauen an ihr Familienleben gebunden und konnten nur sehr selten selbstbestimmt leben. Für ein echtes Vertrauensverhältnis braucht es jedoch soziale, emotionale und finanzielle Unabhängigkeit. Eine emanzipierte Frau war meist eine abnormale Exotin.
In einer Abenteuergeschichte von dieser Exotin zu erzählen, ist ein dramatisches Highlight. Eine einzelne Frau, die inmitten der männlichen Mächtigen steht. Sie ist keine Bedrohung, sondern so etwas wie eine schöne, unnahbare Statue, die sich leicht sexualisieren lässt. Bewundernswert, hartgesotten, ja; aber eine Ausnahme. Weibliche Gesellschaft für starke Frauen? Das wäre ja, als wären starke Frauen normal.
Warum fällt uns diese notorische Fehldarstellung nicht auf? Vielleicht, weil auch im echten Leben erfolgreiche Frauen oft alleine in ihren Führungspositionen sind, sich in diesem Narrativ also wiedererkennen? Ein weiterer Faktor könnte der weit verbreitete Glaube sein, Frauenfreundschaften seien ohnehin weniger rein als die der Männer. Redewendungen und Sprüche prangern die Falschheit aller Weiberbünde an. So schrieb etwa Oscar Wilde: „Frauen bezeichnen sich meiner Erfahrung nach mit hundert anderen Namen, bevor sie sich Schwestern nennen.“ Frauenfreundschaft wird gern als eine reine Dauerintrige dargestellt. Als selbstsüchtige Farce.
Erzählungen der Gemeinschaft
Die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie nennt das „the danger of the single story“: Wenn wir immer nur Geschichten von Frauen erzählen, die keine anderen Frauen brauchen, werden wir irgendwann verinnerlichen, dass es genau so ist. Wir werden glauben, nicht auf weibliche Solidarität angewiesen zu sein. Damit rauben wir aber jungen Frauen und Mädchen die vielleicht wichtigste Botschaft des Feminismus: Nur als Gemeinschaft können wir die Trumps dieser Welt besiegen. Wollen wir als Gemeinschaft wahrgenommen werden, so brauchen wir auch Erzählungen, die uns als solche zeigen.
Jetzt werden Serienjunkies und Cineasten auf die Barrikaden springen: Es gab doch Frauenfreundschaften im Mainstream der Popkultur! Und es stimmt. „Xena“ und „Buffy“ etwa lebten in den 90er Jahren von einem kräftigen Frauenfreundschaftsnarrativ, ebenso „Drei Engel für Charlie“ und „Sex and the City“. In Serien wie „Girls“ lebt das Motiv weiter. In den Heldengeschichten der Neuzeit jedoch gibt es nach wie vor sehr viel Bromance und sehr wenig Womance. Unter den Blockbustern 2017 ist nur ein Film, in dem mehr als eine Frau im Hauptrollenregister auftaucht: „Guardians of the Galaxy 2“.
Hoffentlich werden die beiden Freundinnen. Und hoffentlich ziehen dann andere Autoren und Filmemacher nach. Denn wir brauchen mehr Womance.
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