Französische Kindermedien: Heimliche Werbung der Atomlobby

Französische Zeitschriften für Kinder und Jugendliche haben Reklame von Atomkonzernen gedruckt - ohne sie zu kennzeichnen. Die französische Werbeaufsicht ist empört.

"Energie für heute und morgen"? Nicht ganz. Das französische Atomkraftwerk Cattenom. Bild: dpa

"Saubere Energien. Schnell!" lautet der Titel des Magazins Les Clés de lActualité. Danach bringt das Konkurrenzblatt Images Doc ein Dossier mit der Überschrift: "Atomkraft - Energie für heute und morgen". Und das Quotidien LActu bringt ein großes Poster mit dem Querschnitt eines Atomkraftwerkes.

Die drei französischen Blätter richten sich an Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 16 Jahren. Die bunt aufgemachten und unkritischen Texte über Kernspaltung, Reaktoren und Atommülllagerung machen das Netzwerk Sortir du Nucléaire (Atomausstieg) misstrauisch, es reicht Klage bei der Selbstkontrollbehörde der französischen Werbewirtschaft ein. "Ein Fall von echt-falscher Werbung", vermutet Stéphane Lhomme, Sprecher des Netzwerkes.

Jetzt gibt die Jury für die Ethik der Werbewirtschaft (JDP), das Organ zur Selbstkontrolle der Branche, den AtomkritikerInnen recht. Sowohl der Atomkonzern Areva als auch der Stromhersteller EDF haben, so die JDP, gegen ethische Grundregeln verstoßen, rügt die Jury, die keine Sanktionen verhängen kann. Die JurorInnen aus Werbung, Universität und Psychiatrie bemängeln, dass die Atomindustrie die Werbung nicht als solche gekennzeichnet hat. Der Hinweis "Cooperation mit Areva" sei "doppeldeutig" und reiche nicht aus, der "jungen und unerfahrenen Leserschaft" klarzumachen, dass es sich nicht um redaktionelle Beiträge handelt.

Die inkriminierten Texte waren nicht als Werbung gekennzeichnet und kamen im selben Layout wie die Zeitschriften daher. Diese setzten nur die Firmenlogos von Areva oder EDF zu den Artikeln.

Die Blätter liegen zum Teil in Schulbibliotheken aus, und Lehrer verwenden sie für Unterrichtseinheiten zur "Sensibilisierung mit Medien".

In Verträgen mit Geheimhaltungsverpflichtung hatten die Atomindustrie und die Zeitschriftenverlage das jetzt gerügte doppeldeutige Procedere festgelegt. Unter anderem regelten die Verträge, dass JournalistInnen der Verlage die "Werbetexte für Kinder zur pädagogischen Information über die Atomenergie" verfassen.

Auch Eltern haben gegen die kaschierte Werbung protestiert. Unter anderem bei der größten Jugendzeitschrift, Science et Vie Junior, die in einer Auflage von mehr als 150.000 Exemplaren erscheint. Sie veröffentlichte ein Quiz mit dem Titel "Spiel mit Areva" sowie drei über das ganze Heft verteilte kleine Artikel über den größten Atomkonzern der Welt. Weil das Blatt danach erklärt hat, künftig Werbung der Atomindustrie zu kennzeichnen, ist es nicht gerügt worden.

Den AKW-GegnerInnen hat der Geschäftsführer von Science et Vie Junior angeboten, ihrerseits Anzeigen zu schalten. Die lehnten jedoch ab und boten vergeblich ihre Mitarbeit bei einer journalistischen Bearbeitung des Themas an. "Wir wollen, dass über Atomkraft aufgeklärt wird", so das Netzwerk, "wir wollen keine Werbung bezahlen und uns auf das Niveau begeben wie Areva."

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