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Frankreichs Schüler protestieren weiter

■ Nach dem Aufmarsch von 500.000 Oberschülern am Donnerstag ist für Dienstag ein neuer Protesttag geplant. Schülervertreter distanzieren sich von der Gewalt am Rande der Demonstration in Paris. Noch 1

Paris (AFP/taz) – Frankreichs Oberschüler wollen ihre Massendemonstrationen gegen schlechte Studienbedingungen, zuwenig Lehrer und zuviel Kriminalität an den Schulen auch nach der Gewalt am Rande eines Schülerprotests am Donnerstag in Paris fortsetzen. Annähernd 500.000 Schüler waren am Donnerstag in ganz Frankreich auf die Straße gegangen. In Paris artete der Aufmarsch von 28.000 Schülern in Gewalt aus, nachdem Gruppen randalierender Vorstadtjugendlicher sich dazugesellten. Sie griffen wahllos Demonstranten und Passanten an und machten Bushaltestellen, Telefonzellen und Schaufenster kaputt. Es folgte ein massiver Polizeieinsatz, der viele Schüler daran hinderte, sich der Demonstration anzuschließen. Gestern waren immer noch 122 Menschen in Haft, davon 75 Minderjährige.

Die demonstrierenden Schüler versuchten vergeblich, die Gewalttäter von ihrem Marsch fernzuhalten. „Wir sind Schüler, keine Kaputtmacher“, skandierten sie. Vertreter der Schüler äußerten die Besorgnis, daß die Gewalt – die von Bewohnern der benachteiligten Pariser Vorstädte ausging und mit den aus deren Sicht privilegierten Oberschülern kaum etwas zu tun hat – ihrer Protestbewegung schadet. Das Innenministerium sagte, es handele sich um „extrem bewegliche und gewalttätige Gruppen“, die ihre Gewaltakte per Handy koordinierten.

Die sozialistische Regierung reagierte, indem sie sich verbal auf die Seite der Schüler stellte. Bildungsminister Claude Allègre empfing Schülervertreter in Paris und sagte, die Schüler hätten eigentlich mit ihren Klagen über schlechte Schulen recht und gehörten von der Polizei geschützt.

Von Schülerseite wurde die Haltung der Regierung mit Mißtrauen empfangen. Ein Grund für die Schülerbewegung, die Anfang Oktober relativ spontan entstand und bei gestreßten Lehrern vielerorts auf Beifall stößt, war die Untätigkeit der Regierung nach einer großangelegten Schülerbefragung im vergangenen Schuljahr. Jetzt kündigte Allègre zwar Zugeständnisse an, blieb aber vage. „Wir werden nicht nachlassen, weil wir nichts wirklich Präzises haben“, sagte am Donnerstag abend Schülersprecherin Alice Martin. „Man hat uns angehört, jetzt muß man die Probleme lösen.“

Für den kommenden Dienstag planen die Schüler einen neuen landesweiten Aktionstag, der erstmals auch zum landesweiten Schülerstreiktag erklärt werden soll. Am selben Tag will außerdem die Lehrergewerkschaft SNES demonstrieren – kurz bevor im Parlament eine Debatte über den Bildungsetat beginnt. Es wäre der ideale Zeitpunkt für die Regierung, neue Gelder lockerzumachen. Die Zeitung L'Humanité, Parteiblatt der an der Regierung beteiligten Kommunisten, warnte gestern vor einer „Manipulation“ der Schüler durch das sozialistisch geführte Bildungsministerium.

Die französischen Sozialisten haben mit Massenprotesten der Oberschüler eher gute Erfahrungen. Die letzten massiven Schülerproteste wurden 1990 durch die Zusage von 4 Milliarden Franc zusätzlich im Bildungsetat beendet. Damals hieß der Bildungsminister Lionel Jospin. Bis heute führt der heutige Premierminister seinen Ruf von Kompetenz auf die Art zurück, wie er damals Probleme in seinem Ressort löste. D.J.

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