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Frankreichs Griechenland-PolitikIn seltener Eintracht

François Hollande versucht zwischen Griechenland und der EU zu vermitteln. Plötzlich bekommt er so viel Beifall wie selten zuvor.

Beliebt wie nie: François Hollande. Foto: Reuters

Applaus von links und rechts für Präsident François Hollande und seine Griechenland-Kulissendiplomatie aus den Reihen der französischen Opposition. Eine solche Eintracht kommt selten genug vor in Frankreich, um entsprechend unterstrichen zu werden.

Die Zustimmung zu Hollandes Vorgehen ist so breit, dass „Libération“ meint, sie grenze an eine „Union sacrée“, einen politischen Burgfrieden. Dem sozialistischen Präsidenten wird zugute gehalten, er habe es nach dem „Ochi“ bei der griechischen Volksabstimmung verstanden, zumindest vorerst einen Bruch zwischen der EU und Athen zu vermeiden.

Vor allem habe er Angela Merkel überredet, ihre von der öffentlichen Meinung in Deutschland mitgeprägte Position aufzuweichen und Alexis Tsipras eine weitere Chance zu geben. Dem griechischen Premier hatte er am Sonntag am Telefon gesagt: „Hilf mir, dir helfen zu können.“ Das ist die Methode, mit der Hollande zwischen Athen und Berlin vermitteln will.

Nur wenige Politiker in Frankreich sprachen sich wie etwa der konservative Expremier Alain Juppé für einen „undramatischen“ und organisierten Rückzug Griechenlands aus der Euro-Gruppe aus. Für den rechtsextremen Front National allerdings bedeutet das selbstbewusste griechische Votum gegen die Austeritätspolitik den Anfang vom Ende der EU und des Euro. FN-Chefin Marine Le Pen hatte sich dieses Resultat gewünscht, weil es ihrer Analyse zufolge die Krise der europäischen Integration nur verschärfen und die Chancen einer Rückkehr zur nationalen Souveränität und Währung auch im restlichen Europa vergrößern werde.

Große Sympathiewelle

Doch niemand in Paris schimpfte seit Sonntag wie in Berlin Sigmar Gabriel, Tsipras habe die „letzten Brücken eingerissen“. Im Gegenteil wollen fast alle neue Brücken für Verhandlungen schlagen, um Griechenlands Platz in der Union und in der Währungsgemeinschaft zu retten.

Eine echte Sympathiewelle ist auch in der Bevölkerung spürbar. Sie erklärt sich damit, dass es eine besonders lange Tradition der Liebe für Hellas gibt.

Eine echte Sympathiewelle ist auch in der Bevölkerung spürbar. Sie erklärt sich damit, dass es eine besonders lange Tradition der Liebe für Hellas gibt. Da Frankreich zudem selbst größte Mühe hat, mit Sparanstrengungen den öffentlichen Haushalt wie versprochen bis 2017 ins Maastricht-Lot zu bringen, können sich heute viele Franzosen mit den Griechen identifizieren.

Auch der Chef der konservativen Oppositionspartei „Les Républicains“, Expräsident Nicolas Sarkozy, musste sich diesem Mainstream anpassen. Noch am 2. Juli hatte er jeden Kompromiss ausgeschlossen und erklärt, Tsipras verweigere „jede vernünftige Haltung“, er habe so selbst Griechenlands Euro-Mitgliedschaft aufs Spiel gesetzt. Mit einer Drehung um 180 Grad meinte er nun am Mittwoch: „Alles muss getan werden, um einen Kompromiss zu finden.“

Breite Zustimmung erntete auch Premierminister Manuel Valls vor den Abgeordneten, denen er eine Debatte mit Abstimmung über eine Umschuldung für Griechenland in Aussicht gestellt und ganz im Sinne der meisten erklärt hat. „Wir lehnen ein Europa der Demütigung ab“, sagte Valls. Auch die sonst sehr kritische Linkspartei, die Syriza als Vorbild empfiehlt, applaudiert.

Falls aber am Ende doch keine Einigung zustande kommen sollte, wird auch Hollande aus Prioritätsgründen für eine deutsch-französische Position einstehen und der Partnerschaft mit Merkel den Vorzug geben - und dafür Tsipras opfern. Dann hört auch in Frankreich die pro-griechische „Union sacrée“ auf.

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9 Kommentare

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  • "Greece is the latest battleground in the financial elite’s war on democracy" (George Monbiot, The Guardien, 7.7.2015)

  • "Vor allem habe er Angela Merkel überredet, ihre von der öffentlichen Meinung in Deutschland mitgeprägte Position aufzuweichen und Alexis Tsipras eine weitere Chance zu geben." - An Freunden, Bekannten und Kollegen merke ich, wie diese "öffentliche Meinung in Deutschland" über Jahre hinweg von den etablierten Medien hergestellt worden ist. Bei Gesprächen der letzten Tage war ich entsetzt, welchen blinden Haß auf "die faulen Griechen" Leute entwickelt hatten, die mir bisher als nachdenklich, kritisch und reflektierend bekannt waren. (Varoufakis' Rücktritt wurde z.B. mit "Die Ratte verläßt das sinkende Schiff" kommentiert.)

    • @Albrecht Pohlmann:

      Ja, das kenne ich auch. Neulich war ich mit einer Gruppe Christen zusammen, die allesamt älter sind wie ich (56 Jahre) und von denen viele als Vertriebene nach Deutschland gekommen waren.

       

      Ich war sprachlos, was ich da hörte ... als ich versuchte dagegen zu argumentieren wurde schnell die Parole "genug politisiert, wir können es sowieso nicht beeinflussen" ausgegeben und sich über "Gott und die Welt" unterhalten.

       

      Um ehrlich zu sein, auch die Leserbriefe in SPIEGEL und ZEIT (jeweils online) kann ich nur Kopf schüttelnd lesen.

       

      Meine Befürchtung: je nachdem, wie die EURO-Krise weiter gehen wird, ist morgen "der Italiener" oder "der Spanier" oder "der Franzose" usw. usw. was heute "der Grieche" ist.

       

      So lange nicht alle deutsch denken, deutsch fühlen, deutsch reden und auch deutsch handeln sowie deutsch wirtschaften und deutsch arbeiten werden Deutsche immer jemanden

      finden, den es zu missionieren gilt; zum Schluss wendet man sich nach innen und findet da angeblich Asoziale, Faule, Sozialschmarotzer und Kranke, die doch eigentlich nicht deutsch sein können.

       

      "Denk' ich an" dies alles "in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht."

  • Immer nur "Merkel und Deutschland".

     

    Es gibt auch andren vernunftige Menchen. Sehe Verhofstadt:

     

    youtube . com/watch?v=P84tN0z4jqM

  • 6G
    628 (Profil gelöscht)

    Das erste Mal in seiner Amtszeit, dass er ein wenig Rückgrat zeigt. Besser spät als nie.

    Dass wir hier in Deutschland mit unserer Griechenland-Hetze inzwischen jedes Maß verloren haben, ist klar. Dass nicht in jedem Euro-Land ein derartiger Irrsinn herrscht, ist beruhigend.

  • ...alles mit Merkel abgesprochen.

  • „Griechenland-Kulissendiplomati“? Nur Kulissendiplomatie? Oder hat Präsident François Hollande großes Interesse, dass Griechenland in der Eurozone bleibt? Bisher ist noch niemand mit „offenen Visier“ dem deutschen Vormachtanspruch in der EU entgegen getreten. Und Präsident François Hollande weiß, das Merkel-Deutschland ihn sofort über die „Klinge springen“ lassen würde, wenn ein Präsidentschaftskandidat al‘a Sarkozy auf der Bühne erscheinen würde.

    Brüssel ist eine „Schlangengrube“, in der sich jeder selbst der Nächste ist! Und wie beliebt die Deutschen der EU sind, kann sich jeder selber ausmalen. Solang sie das dickste Portemonnaie können sie sich ihre Freunde kaufen. Doch wie lange noch?

     

    Die Hassrede vom CSU-Politiker Weber im Europäischen Parlament hat sicherlich dem einen oder anderen zu denken gegeben.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Eine echte Sympathiewelle ist auch in der Bevölkerung spürbar."

     

    Vielleicht, weil die französischen Medien einfach zu zahm sind.

    Sie sollte mehr davon sehen:

    http://www.tornante.pf-control.de/blog1/wp-content/uploads/bild_zeitung_griechenland-hetze_26022015.jpg

     

    oder davon:

    http://www.tornante.pf-control.de/blog1/wp-content/uploads/bild_zeitung_griechenland-hetze_03112011.png

     

    oder meinetwegen auch bisschen seriöser (ist ja auch ein Wirtschaftsblatt):

    https://financialpostcom.files.wordpress.com/2015/07/greece41.jpg?w=300&h=452

     

    Günther Verheugen sagte in einem Interview, in Deutschland habe die Griechen-Hetze begonnen. Recht hat er.