Frankreichs Ex-Präsident: Sarkozy-Anhänger pöbeln gegen Richter
Nach der Verurteilung von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy verbreiten Konservative und Rechte Hass. Emmanuel Macron kritisiert das nur sehr zaghaft.
Mehrere ehemalige Minister und Mitarbeiter von Sarkozy kritisierten in den Medien das Urteil, das sie als parteiisch oder von „Hass“ gegen den Ex-Präsidenten geprägt bezeichnen. Tagelang dominierte diese Polemik vor allem die Medien aus der Gruppe des rechtsextremen Milliardärs Vincent Bolloré.
Die populistischen Angriffe auf die Justiz erinnern immer mehr an die Ad-hominem-Attacken des US-Präsidenten Donald Trump mit der Unterstützung von Fox News: Vor dem Frontalangriff auf die demokratischen Institutionen kommen in befreundeten Medien und Netzwerken Befürworter der Lynchjustiz zu Wort. Das ist für Frankreich neu. Noch nie wurde eine Polemik über ein Gerichtsurteil so emotional hochgeschaukelt zu einer pauschalen Kampagne gegen die Richter.
Seit dem Urteilsspruch am letzten Donnerstag attackieren die Kritiker des Justizentscheids nicht nur das Pariser Strafgericht für den Schuldspruch, der als politisch motiviertes Urteil abgelehnt wird. Gezielte Angriffe richten sich auf die Gerichtspräsidentin Nathalie Gavarino.
Nur war es auch sie, die bereits Sarkozys Ex-Parteikollegen, den früheren Premierminister und Präsidentschaftskandidaten François Fillon und dessen Gattin Pénélope, wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder verurteilt hatte. Die „Wiederholungstäterin“ soll also die Richterin sein? In den letzten Tagen erhielt sie neben aggressiver Kritik unzählige Morddrohungen, darunter Bilder mit Guillotine.
Macron ruft zur Mäßigung auf
Der amtierende Staatschef Emmanuel Macron, laut Verfassung der Garant der Institutionen der Republik, schwieg drei Tage lang dazu, bis er dann doch in einem Kommuniqué zur Mäßigung aufrief. Morddrohungen gegen Richter seien „unzulässig“ und würden darum bestraft.
Der Tonfall ist indes sehr moderat. Macron betont in ein paar Zeilen generell – ohne den Fall Sarkozy zu erwähnen – die Bedeutung der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Berufung. Wer dies möchte, kann daraus ein gewisses Verständnis an der grundsätzlichen Kritik am Urteil herauslesen.
Er überließ es so dem Richterverband USM, die demokratische Legitimität des Pariser Strafgerichts zu verteidigen. „Diese Attacken (auf die Justiz) stellen ein Ablenkungsmanöver dar, das niemanden täuschen darf. Diese Strategie, bei der sich der Angeklagte zum Ankläger gegen seine Richter erhebt, ist ein Klassiker unter Prominenten, die vor Gericht stehen.“
Für die USM müsse sich die Debatte nicht um die angebliche „Herrschaft der Richter drehen, sondern um den Kampf gegen die Finanzdelikte und die Wirtschaftskriminalität bis hin in die Spitzen der (politischen) Macht.“
Applaus für den Verurteilten
Nicolas Sarkozy gibt sich jedenfalls nicht geschlagen. Am Wochenende erntete er im Pariser Fußballstadion Parc des Princes den herzlichen Applaus der anwesenden Fans.
In den Bolloré-Medien heizt er die Stimmung an: „Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Sie sind weiter gegangen, als ich mir vorstellen konnte. Alle Grenzlinien des Rechtsstaates wurden verletzt. Es ist unglaublich“, erklärt er in der Illustrierten Paris Match. Ihm mache das nichts aus, aber es schmerze ihn für seine Gattin Carla, seine drei Söhne und seine Tochter.
Die Justiz hat Sarkozy für den 13. Oktober vorgeladen, um ihm den Termin und Ort seiner Inhaftierung mitzuteilen. Laut Medieninformationen ist für ihn im Pariser Gefängnis La Santé bereits eine Zelle in der „VIP-Abteilung“ für gefährdete Häftlinge vorgesehen.
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