Frankreichs Außenminister kritisiert Sarkozy: Gaddafis Besuch spaltet Regierung
Der Besuch des Revolutionsführers entfacht Streit: Außenminister Kouchner und Menschenrechtler sind erzürnt. Gaddafi schlägt derweil sein Zelt vorm Elyséepalast auf.
PARIS taz/dpa Der Frankreich-Besuch des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi bringt Präsident Nicolas Sarkozy immer stärker unter Druck. Nach scharfer Kritik von Menschenrechtsorganisationen und der Opposition äußerte nun auch Außenminister Bernard Kouchner am Montag Kritik.
Der Besuch falle ausgerechnet auf den Jahrestag der Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, schrieb Kouchner in einem Beitrag für die Tageszeitung "La Croix". "Zufall, gutes Vorzeichen oder Provokation?" Jeder Aktivist erinnere sich, dass Gaddafi "professionell" Menschenrechte verletzt habe, fügte der Mitgründer der Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" hinzu.
Gaddafi wird Montagnachmittag zu einem fünftägigen Besuch in Frankreich erwartet. Er übernachtet in der offiziellen Gästeresidenz des Staatspräsidenten in der Nähe des Elysée-Palastes. Aus Respekt für die "Wüstentradition" werde für Gaddafi ein Beduinenzelt im Garten errichtet, teilte Sarkozys Sprecher David Martinon mit.
Sarkozy wollte Gaddafi nach der Ankunft und erneut am Mittwoch im Élyséepalast empfangen. Gaddafis Sohn Saif al-Islam hat den Kauf von Airbus-Flugzeugen, Waffen und Atomtechnologie angekündigt. Libyen war bis vor wenigen Jahren als Drahtzieher von Terroranschlägen isoliert.
"Gaddafi muss begreifen, dass unser Land kein Fußabtreter ist, auf dem sich ein Staatsführer, ob Terrorist oder nicht, das Blut seiner Untaten abstreifen kann", sagte die Staatssekretärin für Menschenrechte, Rama Yade, der Tageszeitung "Le Parisien". Auch die Opposition übte scharfe Kritik an dem Besuch.
Die linksliberale französische Tageszeitung "Libération" kommentierte, die "Belohnung" für das Parteienverbot in Libysen sei "ein offizieller Besuch in Frankreich, dazu kommen Verträge im Wert von 400 Millionen Dollar, ein Atomkraftwerk und andere Kleinigkeiten".
Die in einem umstrittenen Aids-Prozess in Libyen zunächst zum Tode verurteilten und im Juli abgeschobenen fünf bulgarischen Krankenschwestern haben unterdessen eine Reise nach Paris am Montag wegen des Staatsbesuchs von al-Gaddafi abgesagt. Die Krankenschwestern und ein palästinensischer Arzt waren von der internationalen Organisation "Anwälte ohne Grenzen" nach Paris eingeladen worden.
Den Bulgarinnen und dem Arzt war in Libyen vorgeworfen worden, mehr als 400 Kinder absichtlich mit dem HI-Virus infiziert zu haben. Sie waren achteinhalb Jahre in dem arabischen Land festgehalten und nach eigenen Aussagen im Gefängnis auch gefoltert worden, um ihre Schuld einzugestehen. Aids-Experten hatten dagegen bewiesen, dass die Epidemie in dem libyschen Kinderkrankenhaus noch vor dem Eintreffen der Bulgarinnen und des Palästinensers wegen schlechter Hygiene ausgebrochen war.
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