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FrankreichGegen Abschiebung im Urlaubsflieger

Air France-Angestellte wollen auf der laufenden Aktionärsversammlung ein Ende der oft gewaltsamen Deportationen von Ausländern in ihren Maschinen erwirken.

Abschiebung per Linienflug ist längst keine Seltenheit mehr. Bild: dpa

Paris taz "Meine Passagiere sollen in Ruhe und in Freiheit reisen", sagt Eric Tahong, "nicht in Handschellen, geknebelt und an einen Sitz gefesselt." Kurz vor Beginn der Jahreshauptversammlung von Air France forderte der Pilot gestern in Paris zusammen mit Stewarts, TechnikerInnen und anderen Beschäftigten des Unternehmens die AktionärInnen dazu auf, die Abschiebungen zu beenden. Sein Appell entspricht dem Votum des Betriebsrates der französischen Luftfahrtgesellschaft. Einstimmig haben alle darin vertretenen Gewerkschaften den "Stopp der Nutzung der Maschinen von Air France/KLM für die Abschiebung von Ausländern" verlangt: "In Interesse des Images unserer Gesellschaft - vor allem in Afrika."

Frankreichs neuer Minister für die "Einwanderung und nationale Identität", Brice Hortefeux, hat im Einvernehmen mit Staatspräsident Nicolas Sarkozy eine Quote von 25.000 Abschiebungen dieses Jahr festgelegt. In den ersten sechs Monaten wurden bereits mehr als 6.000 AusländerInnen an Bord von Passagiermaschinen zwangsweise außer Landes geschafft, mehrheitlich nach Afrika und auf Strecken, auf denen Air France ein Beinahe-Monopol hat.

In der Regel werden die AusländerInnen dabei von mehreren PolizistInnen in Zivil und in Uniform auf den hinteren Sitzen platziert. Wer sich wehrt, wird gefesselt, bekommt bei Schreien ein Kissen auf den Mund gedrückt und ein Polizistenknie auf die Oberschenkel. Mitreisende, die dagegen protestieren, werden von der Justiz verfolgt. Wegen "Behinderung des Luftverkehrs" und wegen "Widerstandes gegen die Staatsgewalt" riskieren sie Gefängnis- und Geldstrafen.

Die 29-jährige Khadija protestierte am 24. November vor dem Abflug ihrer Maschine von Paris in Malis Hauptstadt Bamako gegen den Zwangstransport von mehreren Ausländern. Polizisten kamen an Bord und stellten ihre Personalien fest. Als die junge Frau aus ihrem Urlaub nach Paris zurückkehrte, wurde sie am Flughafen von der Polizei zum Verhör empfangen. Die 60-jährige Erwachsenenausbilderin Marie-Françoise Durupt stand am 28. April dieses Jahres in einer Maschine von Air France auf, als sie die Schreie der Abschiebehäftlinge hinter sich hörte. "Ich schäme mich, Französin zu sein", sagte Durupt, "ich kann dergleichen nicht tolerieren." Am Ende wurden zwar die Abschiebekandidaten wieder aus der Maschine gebracht, aber Durupt und ein zweiter Passagier, der protestiert hatte, wurden verhaftet. Die Französin und der Malier blieben 24 Stunden in einer Zelle am Flughafen Roissy.

Jean-Cyril Spinetta, Chef von Air France, erklärt, er würde "gern" auf die Abschiebungen verzichten. Aber das sei Sache des Innenministeriums.

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