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Frankreich im Krieg gegen Terroristen

■ Paris fühlt sich von Arabern bedroht / Erneutes Attentat auf eine Pariser Polizeipräfektur fordert 35 Verletzte / Drakonische Anti–Terror–Maßnahmen: Generelle Visumpflicht, außer für EG–Bürger und Schweizer / Militär kontrolliert Grenzen und Flughäfen

Aus Paris Francis Brochet In einer stark kontrollierten Polizeidienststelle in Paris ist am Montag erneut eine Bombe explodiert. Etwa 35 Personen wurden verletzt, fünf davon schwer. Es ist der fünfte Anschlag innerhalb von elf Tagen. Sonntag, 14. September: An diesem verregneten Morgen sind die Champs Elysees wie immer von Touristen überflutet, die die „schönste Avenue der Welt“ auf ihren Film bannen wollen. Die Attentate der letzten Tage sind vergessen, die 41 Verletzten im Viertel La Defense, die Toten und die zwölf Verletzten beim Anschlag auf das Hotel de Ville. Die Avenue ist mit Blumen, aber auch mit Polizisten bedeckt, die mit aufmerksamem Blick die Straße entlangflanieren. Sonntag, 17 Uhr: ein Toter und zwei Verletzte nach der Explosion einer Bombe im Pub Renault, einem Treffpunkt von Jugendlichen auf den Champs–Elysees. Und Montag nachmittag ein erneutes Attentat auf eine Polizeipräfektur. Ein Journalist wird Ohrenzeuge des folgenden Gesprächs: „Was ist hier los?“ „Oh, nichts, bloß eine Bombe.“ Auf die gleiche Frage antworten die Politiker fast einstimmig: „Das ist Krieg.“ Und es sind in der Tat Kriegsmaßnahmen, die Premierminister Chirac angekündigt hat: Wiedereinführung von Visa für alle Ausländer mit Ausnahme von EG–Mitgliedern und Schweizern, Stationierung von 1.000 Soldaten an den Grenzen und Flughä fen, Verstärkung des Geheimdienstes. Wer steckt hinter diesen Bomben, hinter den „Partisanen für Recht und Freiheit“ oder dem „Solidaritätskomitee für arabische politische Gefangene“, die sich zu den Anschlägen bekannt haben? Chirac weist nur vage auf die Länder, die „die Terroristen manipulieren“. Ob es sich dabei um den Libanon, Libyen, Iran oder Syrien handelt, ist für die Mehrheit der Franzosen anscheinend egal: Frankreich ist im Krieg. Also wird man Tunesier oder Libanesen im Namen von Khomeinis Killern ausweisen. Gestern morgen sollten zehn Ausländer nach Beirut oder Jordanien ausgewiesen werden. Zu ihrem „Verbrechen“ konnte sich das Gericht nicht äußern, sondern begnügte sich mit polizeilichen Erklärungen, die von „nahöstlichem, schiitennahem Milieu“ sprachen. Auch gestern wurden bei einer Razzia etwa zwanzig Personen festgenommen, die wohl kaum alle Bombenleger sein werden.

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